Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Himmel schweigt

Der Himmel schweigt

Titel: Der Himmel schweigt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Delrio
Vom Netzwerk:
blicken ohnehin schon runter auf eine so enge Kurve, dass, wer immer hier entlangkommt, erst in Reichweite ist, wenn er über uns stolpert.«
    »Du blickst vielleicht runter auf eine Kurve«, erwiderte Lexa. »Für mich ist dieser ganze Berg so düster wie der Darm einer Kuh.«
    »Ich war schon mal hier, das ist das ganze Geheimnis. Ich habe im Sommer Kletterer durch den Red Ledge geführt, bevor das HPG-Netz zusammenbrach und keine Touristen mehr kamen.«
    »Du machst Witze. Kletterer?«
    »So wahr mir Gott helfe. Die Straße ist etwa fünfzig Meter vor und fünfzig Meter unter uns, und die Wände an dieser Stelle sind blanker Fels und neunzig Grad steil. Für die Kletterer war das die Art von Herausforderung, nach der sie gesucht haben. Sie verbrachten den ganzen Tag damit, sich an den Fingernägeln die Wand hochzuziehen, und ich bin den Weg entlanggegangen und habe sie hier oben mit einem warmen Essen erwartet.«
    »Ich wünschte, uns würde jemand ein warmes Essen machen«, bemerkte Lexa. »Bist du sicher, dass wir nicht doch noch weiter wollen? Von hier aus werden wir nicht viel sehen.«
    »Das ist nah genug. Wir werden die Wölfe hören, lange bevor wir eine Chance haben, sie zu sehen.«
    Die Zeit verging. Unter dem wolkenverhangenen Himmel konnte Will nur mit Mühe einschätzen, wie lange sie dort lagen. Er spielte mit dem Gedanken, das Zifferblatt seiner Armbanduhr lange genug zu beleuchten, um nachzusehen. Dann aber erinnerte er sich, dass einem feindlichen Scharfschützen das kleinste Leuchten in der Dunkelheit genügte, um seine Position festzustellen. Nach einer Weile wurde er sich eines tiefen, beinahe unhörbaren Brummens bewusst. Ein tiefes Wummern, eher durch den Boden spürbar als wirklich zu hören.
    »Sie kommen«, sagte er. »Hört sich an, als würden sie auf die Tube drücken.«
    »Vollgas, in dieser Dunkelheit? Da hat einer Mut.«
    »Niemand hat die Wölfe je der Feigheit beschuldigt.«
    »Jedenfalls nicht öfter als einmal«, stimmte Lexa ihm zu. »Was meinst du, wie viele werden es sein?«
    Er zuckte die Achseln, obwohl klar war, dass sie die Bewegung in der Dunkelheit nicht sah. »Schwer zu sagen. Vermutlich eine Art Vorhut. So ein Geräusch, das ist auf jeden Fall mehr als ein paar Scouts.« Einen Augenblick später sprach er weiter, von demselben
    Impuls getrieben, der ihn daran gehindert hatte, umzudrehen, ohne tatsächlich Kontakt mit den anrückenden Stahlwölfen gehabt zu haben. »Aber ich denke, wir können ihnen Angst machen. Sie vielleicht ein wenig bremsen.«
    »Wie?«
    »Erst müssen sie noch etwas näher kommen. Mach das Partikelgewehr klar, und wenn ich dir das Zeichen gebe, schieß auf die Felswand, von der ich vorhin gesprochen habe. Versuch, sie etwa zwölf Meter über dem Boden zu treffen. Schaffst du das?«
    Lexa kicherte. »Es gibt eine Menge Dinge, die ich in der Dunkelheit tun kann, Soldat. Eine Felswand zu treffen, gehört zu meinen leichtesten Übungen.«
    Sie verstummten wieder. Will hörte Lexa das Partikelgewehr aufbauen und in Position gehen. Er hatte das Gaussgewehr griffbereit bei der Hand. Das Wummern der anrückenden Stahlwolf-Panzer wurde lauter, schwoll von einem vagen, aber stetigen Brummen zu einem gewaltigen Donnergrollen an.
    Kommt näher, forderte er die Wölfe in Gedanken auf, während das Donnern der Motoren und das Klirren der Panzerketten durch das Tal erscholl. Kommt nur noch etwas näher. Ein kleines bisschen noch ...
    »Jetzt.«
    Er feuerte das Gaussgewehr blindlings in die Dunkelheit. Neben ihm drückte Lexa im selben Moment ab.
    Der Schuss löste sich mit einem ohrenbetäubenden Krachen. Er sprengte roten Stein von der Klippenwand und tauchte den kahlen Fels einen winzigen Augenblick in gelbes Licht, das heller strahlte als der Tag.
    Felssplitter flogen wie Glas in sämtliche Richtungen davon.
    »Zeit, sich zu verabschieden«, erklärte Will, als der Lärm verhallte. »Lassen wir die Wölfe schmoren.«
    Juni 3133, Sommer
    Nicholas Darwins Condor rollte klirrend und schwankend die Schnellstraße am Boden des Red-Ledge-Passes entlang - obwohl der Begriff Schnellstraße für die enge, kurvige Gebirgsroute eigentlich nicht passte. Die Luke an der Oberseite des Geschützturms war geschlossen.
    In der Dunkelheit hätte er ohnehin nichts gesehen, also wäre es sinnlos gewesen, sich als Zielscheibe für möglichen Feindbeschuss anzubieten.
    Im Innern des Panzers war kaum Platz, sich zu bewegen. Wer zu Klaustrophobie neigte, eignete sich nicht zum

Weitere Kostenlose Bücher