Der Himmel so fern
vorgeschlagen. Mikael war einverstanden. »Auf Rebecka«, hatte er mit brummender Stimme gesagt und eilig einen Schluck genommen. Ein paar Sekunden hatte er voller Anspannung auf ein Zeichen gewartet. Ein Ausdruck von Unmut oder Unbehagen, doch alles blieb still um sie herum, und langsam stellte sich die Ruhe wieder ein.
Als sie in ein spätsommerliches Stockholm zurückkamen und sich im Taxi vor ihrem Haus verabschieden mussten, hatte Sofia angefangen zu weinen. Er hatte sie so fest im Arm gehalten, dass er schon Angst bekam, ihr weh zu tun, und leise geflüstert, dass alles gut werde. Wie wusste er nicht, ebenso wenig dort wie jetzt, da Italien zu einer schönen Erinnerung geworden war und der Herbstwind wieder die braunen Blätter auf die Erde gewirbelt hatte.
»Bist du fertig?« Stellan steckte den Kopf zur Tür hinein, und Mikael schreckte auf. »Ich muss dich etwas fragen.«
»Ja, vielen Dank für das Frühstück.« Mikael stand auf und stopfte die leeren Verpackungen zurück in die Einkaufstüte. Dann ging er mit Stellan ins Wohnzimmer.
Stellan blieb vor der Wand neben dem Sofa stehen und verschränkte die Arme.
»Was hast du denn mit dem Piepmatz vor?«, fragte er. »Ich nehme an, dass er irgendwie verpackt werden soll.«
Mikael starrte das Bild an, auf das Stellan zeigte. Es hing noch an seinem stiefmütterlichen Platz nahe der Ecke im Wohnzimmer. Offenbar hatte er vergessen, es abzunehmen. Alle anderen Bilder waren schon lange in Wellpappe und Luftpolsterfolie verpackt. Nur der kleine Vogel war übriggeblieben und hing dort allein an der Wand.
»Du kannst ihn hängenlassen«, antwortete er langsam. »Ich nehme ihn selbst mit.«
Stellan nickte und ging. Mikael trat einen Schritt näher, den Blick noch immer auf das Bild gerichtet, auf dem der bläulich glänzende Vogel für immer in dem Augenblick zwischen Flucht und Ausruhen festgehalten war. Er zögerte einen Moment. Dann hob er das Bild von der Wand. Er betrachtete alle Details nun von nahem, sah jeden einzelnen Pinselstrich im hellen Morgenlicht, das durch das Fenster schien. Er würde dem Bild einen neuen Platz suchen, dachte er sich. Einen schönen Platz, wo es richtig zur Geltung kam.
Ich stand auf der anderen Straßenseite und beobachtete, wie sie Gegenstände und Möbel aus der Haustür trugen und in den großen Umzugswagen luden. Birger war bei mir, er hatte darauf bestanden, mich zu begleiten.
»Ich weiß genau, dass das ein schmerzlicher Moment für Sie sein wird, das können Sie mir glauben«, sagte er. »Frau Direktor sollte da nicht allein sein, auf keinen Fall.«
Als Mikael und Stellan mit unserem Sofa in der Haustür erschienen, war ich nahe daran, ihm recht zu geben. Es tat weh, aber schließlich hatte ich schon etwas Übung. Ein paar Wochen zuvor hatte Mikael meinen Kleiderschrank ausgeräumt. Kurzzeitig hatte ich die Befürchtung, dass Sofia meine Kleider bekommen würde, immerhin hatten wir dieselbe Größe, und der Inhalt des Schranks war kostbar, aber Mikael bot es ihr nie an, und sie fragte auch nicht danach. Ihnen war wohl klar, was das bedeutet hätte, und man konnte nur hoffen, dass das Diakonische Werk es schätzen würde, wenn nun viele andere Menschen davon profitierten.
»Und wie geht es Ihnen?« Birger legte seine Hand auf meine Schulter, als er merkte, dass ich Mikael beobachtete.
»Geht so. Ganz okay eigentlich.«
»Was denken Sie?«
»Dass ich ihn liebe.«
Birger schwieg eine Weile. »Es scheint ihm gutzugehen.«
»Ja. Ich weiß, dass er noch immer trauert, manchmal weint er, aber es geht ihm gut. Besser denn je. Besser als mit mir.«
»Sind Sie jetzt nicht ein bisschen streng mit sich selbst?«
»Nein, ich denke nicht. Wir waren nicht wirklich glücklich miteinander.«
Birger gab keine Antwort. Er schien über irgendetwas zu grübeln.
»Sie haben nie erzählt, warum Sie sich das Leben genommen haben.«
Ich sah ihn an. »Nein. Ich bin mir gar nicht sicher, ob ich es selbst weiß. Ich glaube, es war eine Mischung aus allen möglichen Gefühlen, die mich zu diesem Schritt getrieben haben. Schuld und Scham, Verzweiflung, Trauer, Angst …« Ich hielt inne und beobachtete Mikael, der mit Stellan wieder hineinging. »Vielleicht habe ich es getan, um zu verhindern, dass er mich verlässt. Offenbar dachte ich, dass er das nicht tun müsse, wenn ich mich selbst bestrafte, ziemlich verrückt. Dann würde er bei mir bleiben.« Ich versuchte zu lächeln, aber Birger sah mich skeptisch an.
»Hören Sie mal,
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