Der Himmel so fern
selbst öffnen.« Sie holte tief Luft und drückte die Klinke nach unten. Warme Luft schlug ihnen entgegen, und es brannte noch Licht. Auf dem Boden glänzten ein paar Wasserlachen, ansonsten schien alles normal zu sein. Sofia stand da und linste vorsichtig hinein. Dann machte sie einen Schritt über die Schwelle und sah zum Badezimmerspiegel. »Es ist weg«, sagte sie leise.
»Was denn?« Mikael stellte sich neben sie.
»Was sie geschrieben hat.«
»Wer?«
»Rebecka.«
»Sie hat etwas auf den Spiegel geschrieben?«
Sofia nickte. »Du musst denken, ich habe den Verstand verloren …«
»Ich glaube nicht, dass du den Verstand verloren hast.«
»Sie hat auf die beschlagene Scheibe geschrieben. Ich habe geduscht, das ganze Bad war voller Wasserdampf, und der Spiegel war beschlagen.« Skeptisch betrachtete sie die glatte Fläche, die nichts anderes preisgab als Mikael und sie. »Es ist nicht mehr da.«
»Die Feuchtigkeit ist ja auch weg.« Mikael ging hinüber zur Badewanne und drehte den Warmwasserhahn auf. Das Wasser lief sprudelnd heraus und spritzte auf den Boden, so dass er sich hinunterbeugte und den Abfluss schloss. Dann machte er die Badezimmertür zu und stellte sich wieder zu Sofia vor den Spiegel. Da standen sie schweigend eine ganze Weile und hörten, wie sich das Geräusch in der Leitung mit der steigenden Temperatur veränderte. Es dauerte nicht lange, da spürten sie die Luftfeuchtigkeit, und Mikael merkte, dass sein Hemd am Rücken von der Nässe zu kleben begann. Noch war auf dem Spiegel nichts zu sehen, aber er bemerkte, unter welcher Anspannung Sofia stand. Er sah sie von der Seite an. Am Abend zuvor hatte er selbst in seiner Wohnung eine Lampe zerschlagen und die Stille angebrüllt. Was bildete er sich ein, überhaupt in Frage zu stellen, was sie beobachtet hatte? Bislang kannte er sie als äußerst bodenständige Person. Ein paarmal hatte er versucht, mit ihr über seine eigenen Erlebnisse zu sprechen, aber – vielleicht war es Einbildung, vielleicht lag es an den eigenen Zweifeln – er hatte das Gefühl, sie habe ihn nicht richtig ernst genommen. Nicht bevor die Sache mit Melvin passierte. Die Situation war jetzt anders, was hier im Badezimmer geschehen – oder nicht geschehen – war, hatte Sofia allein erlebt. Er kam als Zuschauer erst nachträglich hinzu, vielleicht nicht einmal das. Er konnte ihre Nervosität gut verstehen.
Mikael sah auf den Spiegel. Eine dünne Schicht milchfarbener Dampf schlug sich langsam auf der Oberfläche nieder, und er versuchte, ganz genau hinzusehen. Im oberen Bereich der glatten Spiegelfläche zeichnete sich vorsichtig ein Muster ab, und er spürte, wie Sofia neben ihm erstarrte. Instinktiv trat er noch einen Schritt vor und legte den Arm um Sofia. Sie schien davon kaum Notiz zu nehmen. Noch konnte man es nicht genau erkennen, doch es sah aus wie eine Schrift. Sofia schnappte nach Luft, als der Dampf die Konturen der Wörter lesbar machte. Am Ende bestand keinerlei Zweifel mehr daran, was dort geschrieben stand, und von wem die Wörter stammten. Die Handschrift war eindeutig, und Mikael streichelte wie von allein die Schulter, um die er seinen Arm gelegt hatte. Langsam las er die Wörter laut vor.
Verzeiht.
Ihr beiden.
Die Jalousien waren heruntergelassen, und obwohl der Raum klein war, war es nicht ganz einfach, seine Konturen zu erkennen. Ich konzentrierte mich, und langsam erschienen Möbel, Poster, Schuhe und Klamotten, die aus den Schatten hervortraten. Alex lag im Bett auf dem Rücken mit der einen Hand unter dem Nacken, die andere lag entspannt neben seinem Körper. Erst dachte ich, er würde schlafen, doch als ich einen Schritt näher trat, konnte ich sehen, dass er die Augen weit offen hatte. Seine Wangen hatten noch immer diese kindliche Wölbung, und es war noch keine Spur von Bartwuchs sichtbar. Seine Wimpern waren lang und tauchten die blauen Augen, die die Decke anstarrten, bei jedem Zwinkern in Schatten. Die weichen Lippen waren leicht geöffnet und stießen manchmal mit der ausgeatmeten Luft einen kleinen Seufzer aus. Ich betrachtete ihn von dort, wo ich stand. Meine Anwesenheit schien er nicht zu registrieren. Dann rollte er sich auf die Seite, zog die Knie an die Brust und schloss die Augen. Wie ein übergroßer Embryo lag er da mit der Decke bis unters Kinn.
Mein Plan war alles andere als glasklar. Eigentlich hatte ich gar keinen. Ich wollte nach Alex schauen. Die letzten Male, die ich Birger getroffen hatte – nun waren ja
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