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Der Himmel so fern

Der Himmel so fern

Titel: Der Himmel so fern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kajsa Ingemarsson
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Hustensaft, die kühl gelagert werden musste, und eine Packung Halbfettmargarine. Birgitta ließ alles stehen und machte die Tür wieder zu. Vermutlich hatte sie nicht den Eindruck gewonnen, dass davon irgendetwas für einen trauernden Witwer brauchbar wäre.
    »Ich mache dir erst mal ein Omelett«, sagte sie und holte Eier, Milch und einen abgepackten Schinken aus den Tüten heraus. »Du musst doch Hunger haben?«
    »Nein.«
    »Hast du denn überhaupt etwas gegessen, seit …?«
    »Ein paar Brote.«
    »Ach du lieber Gott.«
    Er beobachtete sie, wie sie in den Schränken nach einer Schüssel, einer Pfanne und Besteck suchte. Sie meinte es nur gut, doch ihre Unbeholfenheit war so offensichtlich, wie sie orientierungslos einen Schrank nach dem anderen öffnete.
    »Soll ich dir helfen?«
    »Nein, bleib’ einfach sitzen.« Einen Moment hielt sie inne und sah auf. »Ich soll von Papa grüßen«, sagte sie. »Die Nachricht hat ihn schockiert. Ich musste ihm versprechen, dass du ihn anrufst, sobald es geht.«
    Mikael nickte. Ja, natürlich würde er ihn anrufen. Er hatte noch viele Gespräche vor sich, und nicht eines davon würde ihm leichtfallen.
    Das Essen war schnell zubereitet, und die beiden setzten sich an den Küchentisch. Birgitta verteilte das Essen, und er musste protestieren, damit sie ihm keine noch größere Portion verpasste. Der Duft von Essen, besonders der zerlassenen Butter in der Pfanne, hatte zwar seinen irritierten Appetit wieder wecken können, doch wer weiß, wie lange der anhielt. Das Essen der belegten Brote hatte ihn richtig viel Kraft gekostet, und am Ende musste er doch meist die Hälfte wegwerfen.
    Seine Mutter öffnete eine Flasche Mineralwasser und schenkte ihm ein, nachdem er etwas Hochprozentiges abgelehnt hatte. »Magst du etwas erzählen?«
    »Sie hat sich am letzten Donnerstag spätabends von der Fjällgata in die Tiefe gestürzt. Nach der Arbeit ist sie mit dem Auto dorthin gefahren, hat geparkt, die Schlüssel ins Handschuhfach, Mantel und Aktentasche auf den Rücksitz gelegt. Sie hat sogar ihre Schuhe ausgezogen und abgestellt, bevor sie über die Absperrung kletterte und … sprang. So hat es zumindest die Polizei beschrieben. Sie war natürlich sofort tot. Es ist sehr hoch. Und besonders für jemanden mit Höhenangst.«
    »Aber warum hat sie das getan?«
    Mikael sah aus dem Fenster. Er spürte, wie sie ihn beobachtete, auf eine Antwort wartete, doch in der Küche war nur das leise Säuseln der Lüftung zu hören.
    »Hat sie einen Abschiedsbrief geschrieben?«
    »Ja.« Er wandte sich wieder seiner Mutter zu. »Auf dem Beifahrersitz lag er. Mein Name stand darauf. Sie bat mich um Verzeihung und schrieb, dass es so das Beste sei. Für uns beide. Er war kurz, nur ein paar Zeilen.«
    »Und wofür bat sie um Verzeihung?«
    »Keine Ahnung.«
    »Und die Polizei?«
    »Die wissen auch nichts. Ist ihnen auch egal. Eine Kriminalkommissarin hat heute bei mir angerufen. Ich weiß gar nicht, was sie eigentlich wollte. Wohl noch mal nachfragen wegen eines Termins. Offenbar wartete sie noch auf ein paar Unterlagen aus der Rechtsmedizin.« Mikael legte eine Pause ein. »Rebecka hat mich auf jeden Fall angelogen, so viel steht fest.«
    »Inwiefern?«
    »Sie sagte, dass sie an dem entscheidenden Abend ein Geschäftsessen mit ausländischen Gästen habe. Das war gelogen.«
    »Woher weißt du das?«
    »Ich habe bei ihrer Arbeitsstelle angerufen«, antwortete er mit monotoner Stimme. »Sie hat den ganzen Abend im Büro verbracht. Ist länger geblieben, hat alle Unterlagen sortiert. Offenbar vorbildlich, jeder Vorgang war in Mappen abgelegt. Kunden, Aufträge, Käufe, Verkäufe … Sie hatte sogar ihre Analysen und langfristigen Planungen dazugelegt, so dass die Kunden nicht darunter leiden müssten, wenn sie ›absprang‹. Das war keine Tat im Affekt, sie muss es genau geplant haben.«
    »Mikael, mein Lieber …« Birgitta streckte eine Hand über den Tisch, doch er griff nicht nach ihr.
    Dann wurde es still in der Küche. Mikael legte sein Besteck nieder, der Appetit war offenbar nur kurze Zeit sein Gast gewesen.
    »Ich warte unentwegt darauf, dass sie kommt«, sagte er schließlich. »Dass ich den Schlüssel in der Haustür höre oder die Spülung im Badezimmer. Wenn ich nachts aufwache, bin ich mir ganz sicher, dass sie da ist. Dass ich alles nur geträumt habe. Manchmal höre ich sogar ihre Stimme, nicht direkt Worte, aber …« Er nahm die Gabel wieder in die Hand, stocherte ein bisschen im

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