Der Himmel so fern
nicht ernst nahm, auch keine Antworten wusste. Zumindest keine, die mir weiterhalfen.
Sobald ich wieder Kraft getankt hatte, kehrte ich zu Mikael zurück. Immer wieder. Ich war wie besessen von der Idee zurückzukehren. Und zwar richtig. Es musste doch ein Hintertürchen geben, redete ich mir pausenlos ein. Eine Möglichkeit, mich wieder zurückzubringen. Für immer.
Natürlich wurde das Boot nicht rechtzeitig fertig. Zumindest nicht nach Mikaels Zeitplan. Stellan war wütend, und die Freundschaft zwischen ihnen litt mehr und mehr. Ich gab mich loyal, bedauerte diesen Zustand und ermunterte Mikael, sich doch mehr Zeit für den Bau und seine Reisepläne zu nehmen, und sagte immer wieder, er solle sich doch häufiger mit seinen Freunden treffen. Doch je mehr ich ihn anspornte, desto langsamer ging es mit dem Boot voran und desto weiter entfernte er sich von seinem alten Freundeskreis. Es tat mir weh zuzusehen, wie er sich zwischen mir und seinem bisherigen Leben aufrieb, doch ich konnte nichts dagegen tun. Nicht ohne das Risiko einzugehen, ihn zu verlieren.
Ich war selbst sehr erstaunt, wie effektiv diese Methode war. Ich tat so, als ginge mich das alles nichts an. Wenn ich seine Pläne unterstützte, als hätte ich nicht das Geringste mit ihnen zu tun, zog es ihn noch viel stärker zu mir, und dies in einer Intensität, die ich mit Nähe oder Liebeserklärungen niemals zustande gebracht hätte. Nicht einen Moment lang ließ ich ihn spüren, wie viel Angst mir diese Reisepläne machten, wie mich allein der Gedanke, dass er mich verlassen könnte, umbrachte. Und mit all dem guten Zureden, ganz unauffällig, und den vielen Stunden, die ich für meine eigenen Unternehmungen einforderte, kettete ich ihn immer stärker an mich. Meine Unabhängigkeit war für uns beide unumstößlich, und mit einem Mal war er derjenige, der Angst hatte, ich könne das Interesse verlieren. Ich könne ihm verlorengehen.
Ich hatte den Schlüssel gefunden, den Geheimcode, genau so fühlte es sich an. Eigentlich wollte ich keine Spielchen spielen, aber verlassen werden wollte ich noch viel weniger. Mit Mikael würde mir das nie passieren. Ich liebte ihn und musste ihn nur daran erinnern, dass auch er mich liebte. So konnte ich mich unserer Liebe vergewissern.
Manchmal war ich wie berauscht vor Glück, solch eine Waffe gefunden zu haben. Mit Mikaels Hilfe war ich auf dem besten Wege, sie zur Perfektion zu treiben. Männer wollen keine anhänglichen Frauen, die ständig ihre Nähe suchen. Es hatte einige Zeit gekostet, doch nun wusste ich endlich, dass es die Jagd und die Unsicherheit waren, die sie hielt. Mikael würde mich nicht verlassen, und ich musste ihn nicht verlassen. Das war perfekt, auch wenn es vorkam, dass ich mitunter zu weit ging und zurückrudern musste. Wenn ich in diesen Momenten Mikael beobachtete, bekam ich manchmal Zweifel an meiner Strategie. Ließ ich für einen Augenblick meine Selbständigkeit mal außer Acht, vergaß das ständige Drängen in die entgegengesetzte Richtung, dann merkte ich, wie er plötzlich entspannte. Wie er richtig zur Ruhe kam. Eigentlich gefielen mir diese Momente, aber die Angst davor, dass er mich verlassen könnte, brachte mich doch wieder dazu, ein unbeteiligtes Gesicht zu ziehen und den Blick auf weit entfernte Ziele zu richten.
Als er mich schließlich fragte, ob ich mit ihm zusammenziehen wolle, hätte ich vor Glück laut jubeln können, doch stattdessen zögerte ich ein paar Sekunden zu lange mit meiner Antwort.
»Aber so, wie es jetzt ist, ist es doch gut«, antwortete ich mit einem sanften Lächeln.
»Wie meinst du das?«
»Es gibt doch keinen Grund zur Eile.«
»Worauf wartest du?«
»Das ist genau der Punkt, ich warte auf nichts. So, wie es ist, finde ich es gut.«
»Und unsere Beziehung? Du und ich?« Mikaels Stimme stand unter Strom.
»Du und ich – wir werden weder mehr noch weniger, wenn wir zusammenziehen.«
»Wir sind mittlerweile beide dreißig.«
»Und? Gibt es eine Vorschrift, die besagt, dass man dann zusammenziehen muss?«
Schweigen.
»Mikael, ich sage doch nicht nein. Ich sage nur, dass es noch Zeit hat.«
»Wie lange?«
»Mikael …« Ich seufzte und strich ihm über die Wange. »Ich bin doch da«, sagte ich und sah ihm in die Augen. Gleichzeitig lächelte ich betont unterkühlt. »Vertrau’ mir, vertrau’ uns. Wir haben es nicht eilig.«
Es war ein Spiel, und als ich jetzt darüber nachdachte, schämte ich mich. Er hatte etwas Besseres verdient, er
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