Der Himmel so fern
anknipsen?« Ich konzentrierte mich auf die Schalter und versuchte gleichzeitig, mir den Raum voll beleuchtet vorzustellen. Es dauerte ein paar Sekunden, doch dann begann es in den Leuchtstoffröhren an der Decke zu knacken, kurz darauf sah man die ersten Lampen grünlich aufblitzen, und schon waren alle voll beleuchtet.
»Verdammt!« Alex drehte sich um und starrte zur Tür. Sein Körper stand unter Strom, bereit, jeden Moment zu fliehen. Alle drei standen mucksmäuschenstill und horchten.
»Da ist niemand«, sagte schließlich derjenige, der auch bei Josef gewesen war. »Das muss so ein Automatikscheiß sein. Mach’ das Licht wieder aus!«, befahl er dem dritten Jungen, der jünger aussah als die beiden anderen. Der Junge schlurfte zwischen den Werkbänken hindurch, sah sich aber ängstlich um. Weder Alex noch der andere bewegten sich währenddessen. Als es im Raum wieder dunkel wurde, nahm Alex eine Plastikflasche aus dem aufgebrochenen Schrank.
»Wir sprühen das auf die Bretter da hinten, dann zünden wir sie an und hauen ab.« Alex’ Stimme war hart, doch sein schlaksiger Körper bewegte sich tollpatschig wie ein Kind. Birger ging zu ihm hin und legte ihm beide Hände auf die Schultern.
»Lass’ es bleiben«, sagte er mit tiefer Stimme. »Tu’ es nicht. Begreifst du denn nicht, dass du dir damit alles verbaust?«
Alex nahm keine Notiz von seinem Vater. Stattdessen schraubte er den Verschluss der Flasche auf und roch am Inhalt, fluchte aber, als er die Dämpfe der starken Chemikalie in die Nase bekam. Währenddessen ging Anna zu dem Jüngeren und beugte sich an sein Ohr. Sie hob die Hand hoch und flüsterte ihm etwas zu. Er hielt inne. »Wollen wir es nicht lieber bleibenlassen?«, fragte er zweifelnd.
Alex sah auf. »Traust du dich etwa nicht?«, zischte er, doch seine Bewegungen waren steif.
Ich sah zu den Lampen an der Decke und konzentrierte mich. Dieses Mal klappte es schneller. Alex fluchte und sprang in Sekundenschnelle zu den Lichtschaltern, um das Licht wieder auszumachen. Doch viele Schritte schaffte er nicht, bis ich das Licht wieder angemacht hatte. Alex war ganz bleich im Gesicht, als er entschlossen nach der Plastikflasche griff und zu einem Regal am anderen Ende des Raumes ging, in dem Holz gelagert war.
Mit einer unerhörten Flinkheit, die ein Mann in seinem Alter nur selten an den Tag legt, war Valdemar vor ihm dort. Er stellte sich breitbeinig hin, direkt vor das Regal. Wofür das gut sein sollte, verstand ich nicht, Alex würde geradewegs durch ihn hindurchgehen. Als der Junge noch ein paar Schritte entfernt war, hob der alte Mann die Hand, und das Licht ging wieder aus. In der Dunkelheit sah man einen schwachen Lichtschein, in dem Valdemar stand. Alex erschrak und ließ die Flasche fallen, so dass die Flüssigkeit plätschernd über den Boden lief, dann bewegte er sich langsam rückwärts. Valdemar folgte ihm einen Schritt, dann noch einen. Alex stolperte und verlor das Gleichgewicht. Er fiel zu Boden und versuchte, sich wieder hochzustemmen, doch Valdemar stand nun direkt vor dem Jungen, ganz dicht, so dass dieser mit weit aufgerissenen Augen zu ihm hochsah. Was er wirklich sah, konnten wir nicht wissen, aber etwas anderes als der nette Herr in Anzug und Fliege, der vor uns stand, muss es wohl gewesen sein, denn Alex sah völlig verschreckt aus. Sein Gesicht war kreidebleich, und er atmete laut und keuchend. Das Drama dauerte nicht länger als ein paar Sekunden, dann wurde das Licht um Valdemars Silhouette schwächer, und Alex kam wieder auf die Füße. In nächsten Moment hatte er die Tür des Werkraums geöffnet und war verschwunden. Seine schnellen Schritte hallten durch das Treppenhaus des Schulgebäudes. Die beiden anderen blieben noch eine Weile stehen. Dann hob der Ältere von ihnen eine Tasche vom Boden.
»Wir hauen ab«, zischte er. »Das ist ja völlig schräg hier.«
»Was ist denn mit Alex los?«
»Er ist einfach abgehauen. Als hätte er ein Gespenst gesehen. Scheiße, wie unheimlich …« Dann drehte er sich um und ging eilig zur Tür, gefolgt von dem anderen, so dass der Raum nun leer war, von uns vieren abgesehen. Wir starrten alle drei auf Valdemar, der noch vor den Holzbrettern stand.
»Hatten Sie nicht gesagt, dass Sie diese ›Spukerei‹ abscheulich finden?« Ich lächelte ihn an, erhielt jedoch keine Antwort.
»Völlig egal«, sagte Birger. »Sie haben eine beeindruckende Show abgeliefert. Das könnten Sie mir bei Gelegenheit mal beibringen.« Er sah zu
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