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Der Himmel ueber Dem Boesen

Der Himmel ueber Dem Boesen

Titel: Der Himmel ueber Dem Boesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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eigenen Unzulänglichkeit – vor jemandem weg, der nicht nur der erste Liebhaber, sondern auch der beste Freund war, den man hatte. Mit dem man im Bett gelegen und gelacht hatte. Der letzten Sommer das Auto seiner Stiefmutter praktisch gestohlen hatte, um einen spontan von Wales nach Hause zu fahren. Der sich im letzten Sommer außerdem – stell dich den Tatsachen – für einen hatte
verletzen
lassen, und zwar ziemlich schwer, sogar fast –
    Jane hielt sich mit beiden Händen am Refektoriumstisch fest und drückte so lange, bis es wehtat. Ethel sah sie vom Steinfußboden aus mit großen Augen an.
    Sie sollte in der Lage sein zu begreifen, warum sie sich so fühlte, ständig hin und her gerissen zwischen Wut und Verzweiflung. Sie hatte doch
Der Fänger im Roggen
gelesen, über diesen Jungen, der die erschütternde Entdeckung machte, dass alle Erwachsenen Heuchler waren. Aber das hier waren nicht die Fünfziger, und sie war kein Kind mehr, und sie wusste
seit Jahren
, dass alle Erwachsenen
absolute
beschissene Heuchler waren.
    O.   k., vielleicht mit Ausnahme von Lol. Und Gomer. Und Mom, die ihr Bestes gab.
    Aber das waren alles Menschen, die dabei waren, Schaden zu nehmen.
    Jane ließ den Tisch los, ging in Moms Büro und machte das Licht an. Es war eigentlich ganz beruhigend und schlicht hier drinnen. Keine schrecklichen viktorianischen Bibelszenen. Nur ein blau gerahmter Druck von Paul Klee, den Huw Owen Mom mal geschenkt hatte: unregelmäßige bunte Dächer unter einem weißen Mond. An der Wand über dem Schreibtisch hing ein einziges kleineres Eichenholzkreuz. Auf dem Tisch lagen eine Taschenbuchausgabe des Neuen Testaments und ein Gebetsbuch. Aufeinem Regalbrett wurden die theologischen Standardwerke langsam von der Art Bücher verdrängt, die Jane sich früher ausgeliehen hatte: paranormales Zeug.
    Spirituelle Grenzfälle. Meine Mutter, die Exorzistin.
    Eine anglikanische Schamanin, eine christliche Medizinfrau. Die ein lächerliches Gehalt bekam, um Spinner bei Laune zu halten.
    Aber es könnte auch schlimmer sein. Sie hätte ihr Studium beenden und Anwältin werden können wie Dad, wie Onkel Ted. Jane zwang sich zu einem Grinsen, hob den Hörer ab und gab eine Handynummer ein, die ihr geläufiger war als ihre eigene. Er würde jetzt zu Hause sein, in der düsteren Familienfestung in Abergavenny.
    Irene, was soll ich sagen? Ich verdiene dich nicht. Ich verdiene es nicht zu leben
. Ob er es ertragen könnte, das schon wieder zu hören?
    Ominöse Stille. Kein Klingeln.
    Dann die Vodafone-Roboterstimme:
«Der Teilnehmer ist momentan nicht erreichbar   …»
    Keine Mailbox.
Bitte nicht
… Jane hatte das Gefühl, gleich ohnmächtig zu werden. Er hatte sogar seine Mailbox abgeschaltet.
    Oh Gott, ich hab das doch gar nicht so gemeint
. Sie knallte den Hörer auf und taumelte zurück in die Küche.
Ich hab das alles nicht so gemeint. Das weißt du doch genau, du Riesenarsch!
    Einmal zu oft – sie hatte ihn einmal zu oft ausgenutzt.
    Jane schlang die Arme um sich.
    Es war vorbei. Es war
wirklich
vorbei.
    Sie stand da, ohne sich zu bewegen, als wäre sie in Stein gehauen, ein Engel auf einem Grab. Stand da länger als eine Minute, bevor sie benommen zum Spülbecken ging, Wasser in ein Glas laufen ließ und es trank, während Ethel entschlossen durch die Katzentür verschwand.
    Jane ging zum Tisch zurück, zog den Stuhl, auf dem Mom normalerweisesaß, zu sich heran und nahm ein Buch von der Sitzfläche, bevor sie sich hinsetzte. Dieses Haus war das reinste Nonnenkloster; das Buch war auch noch von Thomas von Aquin, an einer Stelle lag ein Umschlag im Buch, sie öffnete es – es ging um   … Engel, klar. Verdammte Engel.
    Boten Gottes. Jane schüttelte verächtlich den Kopf und ließ ihn dann auf ihre Arme auf dem Tisch sinken. Mom hatte mal zugegeben, dass sie, wenn alles andere nicht half, wenn sie nicht wusste, an wen sie sich wenden sollte, tatsächlich die Bibel oder irgendeinen anderen heiligen Schinken aufschlug, um in dem Erstbesten, was sie las, göttliche Inspiration zu finden. Was für ein primitiver Aberglaube. Echt, was für ein
trauriges
Ritual.
    Und war es nicht absurd, dass Mom, nachdem sie sich jahrelang über Janes Interesse für Naturgeister und Engel lustig gemacht hatte, jetzt selbst dem Thema nachging, weil eine Verrückte der Kirche eine Riesensumme gespendet hatte? Und war es nicht total typisch, dass sie sich an einen mittelalterlichen Theologen wandte, statt ihre eigene Tochter zu

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