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Der Himmel ueber Dem Boesen

Der Himmel ueber Dem Boesen

Titel: Der Himmel ueber Dem Boesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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großer Konzertsaal, aber auf der Bühne fühlte man sich trotzdem wie auf einer Klippe, die weit über eine riesige Stadt hinausragte.
    Sie stellten die Gitarren auf die Ständer; die geschwungene Boswell, die Washburn und Moiras schlanke Martin. Die Mikros für die Gitarren und den Gesang hatten sie schon früher eingerichtet.
    «Nochmal nachstimmen», sagte Moira, und Lol schlug die Saiten an, während sie ein paar Akkorde auf der Martin spielteund damit Beifall und Rufe auf der anderen Seite des Vorhangs hervorrief. Dann stellte sie ihre Gitarre auf den Ständer zurück, legte Lol beide Hände auf die Schultern und flüsterte ihm zu: «Sie ist nicht weggegangen. Nachher könnt ihr reden. Aber zuerst ist das Konzert dran, okay?»
    Ein junger Typ in einem schwarzen Sweatshirt tauchte auf der Bühne auf. «Wir sind so weit.»
    «Danke.» Moira nickte. Einzelne Stimmen und Gelächter erhoben sich aus dem dunklen Gemurmel hinter dem Vorhang. Publikum. Hunderte von Leuten, die etwas erleben wollten. «Meinst du, deine kleine Pfarrerin hat es geschafft?»
    Er schüttelte den Kopf. «Sie kann höchstens später kommen.»
    Ich habe gelogen, als ich gesagt habe, ich hätte nichts damit zu tun   … Lynsey und Piers und Roddy und alles andere.
Was hatte das zu bedeuten? Was konnte er jetzt noch machen? Moira würde ungefähr eine Dreiviertelstunde lang spielen, dann würde er kommen, seine jämmerlichen Songs zum Besten geben und sich wieder verdrücken. Also würde er mindestens eine Stunde verlieren, wenn nicht noch mehr.
    Andererseits   … konnte er sich nicht einfach jetzt noch verziehen? Damit ließ er Moira ja schließlich nicht im Stich. Im Gegenteil – mit dem miesen Auftritt, den er abliefern würde, half er ihr ganz bestimmt nicht. Und das Publikum würde ihn auch nicht vermissen. Aber würde es ihm gelingen, Cola French zu finden?
    Sie spähten durch die schwarzen Vorhänge am hinteren Rand der Bühne. Die vorderen Bühnenvorhänge waren schon aufgezogen worden. Lol sah, dass beinahe alle Plätze im Parkett und in den Logen besetzt waren.
    Dann wurde das Licht heruntergedimmt. Augenblicklich senkte sich Ruhe über den Saal. Die Mikrophonständer und die Gitarren hoben sich aus goldfarbenen Lichtkreisen, und man hörte förmlich die Stahlsaiten vibrieren.
    Die Stille war wie ein tiefes Atemholen. Da draußen waren vierhundert Leute. Voller Erwartung.
    Da sagte Moira: «Okay, raus mit dir.»
    Er drehte sich bestürzt um, doch sie schnitt ihm den Fluchtweg ab.
    «Weißt du, ich hab gedacht, wenn du nochmal wegmusst, trittst du am besten gleich als Erster auf», sagte Moira.
    Lols Herz begann zu rasen.
    Moira schob ihn unerbittlich nach vorn. «Jetzt geh schon raus, verdammt nochmal.»

46   Mephistos Blues
    Gomer hatte eine Erdstufe in dem Grab angelegt und benutzte sie, um hineinzusteigen. Allerdings hielt er seine Lampe so, dass Merrily nichts erkennen konnte.
    «Is nich grade der schönste Anblick, Frau Pfarrer», sagte Gomer.
    «Das ist mir egal.» Sie stand über den Rand des Grabes gebeugt, der Wind blies ihr die Kapuze ihrer Albe über den Kopf und fuhr raschelnd durch die Lorbeerhecke.
    Es roch vor allem nach frisch umgegrabener Erde und Lehm, aber auch ein bisschen nach Tod und Vergänglichkeit. Merrily rutschte leicht auf einem feuchten Lehmbrocken aus.
    «Vorsicht, Frau Pfarrer.»
    «Schon gut. Also   … sehen wir es uns mal an.»
    Sie atmete tief ein. Gomer stellte sich mit dem Rücken an die Seitenwand des Grabes und hob die Lampe, sodass die ausgehobene Grube erleuchtet wurde wie ein enger Keller.
    «Liegt tief», sagte Gomer. «Da is die Erde kalt. Konserviert besser, verstehnse?»
    Merrily blickte in leere Augenhöhlen hinunter. Verwesung konnte aussehen wie eine Art ätzende Gesichtsmaske. In einem Nest aus lehmverklebtem Haar wirkte dieses Gesicht wie eine grob zurechtgebastelte Pappmaske, ein Eindruck, der noch durch den Mund verstärkt wurde, weil der Unterkiefer seitlich weggerutscht war, sodass man an ein letztes, verzerrtes Flehen denken musste.
    Und all das wurde noch herzzerreißender durch die Kleiderreste, die nach einem roten Sweatshirt aussahen, und durch eine freigelegte Hand, an der ein paar Ringe schimmerten. Sie musste beinahe zwei Meter tief in der Erde liegen. Viele Totengräber hoben ihre Gräber nicht so tief aus. Es hätte leicht passieren können, dass einfach ein Sarg über ihr bestattet und sie niemals gefunden worden wäre.
    Merrily trat einen Schritt zurück und

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