Der Himmel ueber Dem Boesen
Gascoigne macht Visite auf unserem Gang.
Heute ist nämlich mal wieder …
PILLENVERORDNUNGSTAG.
Beim Singen fragte sich Lol zum ersten Mal, ob es nicht vielleicht schlauer gewesen wäre, Dr. Gascoignes Namen zu ändern.
Nein. Du kannst mich mal, Dr. Gascoigne, du eiskalter Sadist.
Lol bemerkte, dass er lächelte. Die Leute im Publikum mussten geglaubt haben, dass seine Desorientiertheit zuvor zu seinem Auftritt gehört hatte. Mit so etwas kam nur ein echter Profi durch. Lol spürte, wie ihn die Musik zu tragen begann, und als der Song zu Ende war, rief jemand von hinten aus dem Zuschauerraum:
«Schönes Wetter heute!»
Seine Bitte wurde von anderen Leuten im Publikum mit Klatschen unterstützt.
Also, diesen abgenudelten Mist würde er nicht spielen, nicht in einer Million Jahren.
Auf keinen Fall.
Als er beim Refrain ankam, konnte er kaum fassen, wie viele Leute mitsangen.
Wenn die Sonne scheint, ist das für mich kein Spaß,
bei Regen werden alle nass,
ich aber flüchte in die Unterführung, statt dass ich mich freute,
an schönen Tagen wie heute.
«Ja.» Sam Hall hielt den Engel unter die Messinglampe der Kanzel. «Das ist ein bioelektrischer Schild in Form eines Anhängers.»
«Das habe ich mir gedacht», sagte Merrily. «Jane – meine Tochter – hat nach so etwas gesucht. Ich wusste nur nicht mehr genau, wie man es nennt.»
Sie standen auf der Kanzel und unterhielten sich mit gedämpfter Stimme. Der Beerdigungsgottesdienst war unterbrochen worden. Was hätte sie sonst tun sollen? Schließlich war es jedenfalls im Moment unmöglich, Roddy Lodge in diesem Grab zu bestatten. Einem Grab, das, noch bevor es hell wurde, von einem Schwarm Ganzkörperkondome umgeben sein würde – wie Bliss die Spurensicherung nannte.
«Hier drin», Sam legte einen Finger auf die Erhebung, die den Engel schwanger erscheinen ließ, «befinden sich ein paar Kristalle. Quarz, Malachit … die mit dem körpereigenen Energiefeld in Wechselwirkung treten und elektromagnetische Strahlungen abwehren sollen. Solche Anhänger werden oft von Menschen getragen, die mit Computern arbeiten.»
«Und … haben Sie so etwas hier schon einmal gesehen? In Underhowle?»
«Ja.»
«Als Sie gesagt haben, Dr. Ruck hätte Melanie Pullman einfach nur Valium verschrieben, und Sie ihr empfohlen haben, wegen ihrer EH zu einem Heilpraktiker in Hereford zu gehen, war das also …»
«Das war eines der Hilfsmittel, die er Mel empfohlen hat. Er hat ihr erklärt, dass sie es Tag und Nacht tragen soll. Eine Zeitlang ist sie im Dorf ziemlich aufgefallen mit diesem Engel um den Hals. Ich kann mir vorstellen, dass der Engel in ihrer Personenbeschreibung erwähnt wurde, nachdem sie als vermisst gemeldet war.» Sam gab Merrily den Engel zurück. «Woher haben Sie das, Hochwürden?»
«Entschuldigen Sie, Mrs. Watkins.» Unten im Kirchenschiff stand Mr. Lomas. «Ich unterbreche Sie nur ungern, aber …»
Merrily warf Sam einen warnenden Blick zu und ging zu dem Beerdigungsunternehmer hinunter. Während sie mit ihm zusammen weiter zur Kirchentür ging, an der Gomer wartete, erklärte sie ihm, dass es ein unvorhergesehenes Problem mit dem Grab gab, weil es nicht ganz frei war. Mr. Lomas nickte. Er kannte sich mit den Erdbewegungen auf den Friedhöfen in dieser Gegend aus.
«Was schlagen Sie vor, Mrs. Watkins? Ich glaube nicht, dass wir das bis morgen regeln können. Und das könnte zu neuen Problemen führen.» Mr. Lomas nickte zu dem Sarg hin. «Sollen wir ihn wieder mitnehmen? Oder wollen Sie ihn heute Abend hier einschließen, und wir holen ihn morgen ab?»
Tony Lodge kam zu ihnen herüber. Er hatte gehört, was sie besprochen hatten. «In dem Grab kann keiner liegen, Hochwürden. Da war vor zwanzig Jahren noch ein Feld. Und zwar unser Feld. So haben wir nämlich unser Familiengrab erweitert – in dem wir der Kirche das Feld überlassen haben.»
«Abfallendes Gelände, nich?», sagte Gomer wissend. Er hatte den Leichnam wieder unter etwas Erde verborgen. «Da bewegt sich der Untergrund. Sieht so aus, als wärn unter Ihrm Feld schon Särge gewesen, wie Sie noch drauf gepflügt ham.»
«Oh
Gott
!» Cherry Lodge war ebenfalls aus ihrer Bank gekommen. «Wird dieser Albtraum denn
niemals
enden?»
«Keine Sorge, Mrs. Lodge», sagte George Lomas. «Morgen finden wir eine Lösung,
kein
Problem. Wir suchen eine andere Stelle, aber das müssen wir schon bei Tageslicht machen.» Er sah Merrily an. «Sollen wir ihn
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