Der Himmel ueber Dem Boesen
vermied es, zu Tony Lodge hinüberzuschauen.
«Wir wissen, dass Roddy sich Sorgen machte und zu einem Arzt ging. Der, wie die meisten Allgemeinärzte, offenbar weder an die Existenz übersinnlicher Kräfte noch an die einer Krankheit wie Elektro-Hypersensibilität glaubte. Er hat ihn zum Pfarrer geschickt. Und der hat ihm ein paar … gutgemeinte Ratschläge gegeben.»
Ingrid Sollars gab einen leisen Laut der Verachtung von sich.
«Offenkundig hat es nur einen einzigen Menschen gegeben,mit dem Roddy über seinen Zustand sprechen konnte. Und das war Melanie Pullman, eine junge Frau, die ebenfalls Erfahrungen gemacht hatte, die man vielleicht übersinnlich nennen kann … Sam Hall glaubt, der Grund dafür war, dass sie sehr nahe bei Hochspannungsleitungen und anderen Signalmasten gelebt hat. Ich habe mich mit Melanies Fall beschäftigt. Möglicherweise liegt die Erklärung in der elektrischen Reizung bestimmter Teile des Gehirns. Aber Melanie ist nicht … hier und kann uns nichts dazu sagen.»
Merrily hörte ein leises Geräusch an der Tür und sah im Halbdunkel zwei Männer hereinkommen. Gomer. Und Frannie Bliss. Sonst niemand.
«Ich habe das Gefühl, dass der Kontakt zu Melanie Roddy gutgetan hat. Sie haben eine enge Beziehung entwickelt. Sie war möglicherweise seine erste richtige Freundin.»
«Das stimmt.» Cherry Lodge hatte sich über die Gesangbuchablage vorgebeugt. «Er hatte nie eine Freundin. Tony, los, erzähl es ihnen.»
Nach einem Knurren sagte Tony: «Frauen waren ihm peinlich, jedenfalls, solange er zu Hause lebte. Später war er
uns
peinlich, mit seinem Sportwagen und den ganzen Geschichten. Kein Mensch aus unserer Familie hat jemals einen Sportwagen gehabt.»
«Was hatte sich geändert?», fragte Merrily. «Was hat ihn zu so einem … Weiberhelden gemacht? Er war schließlich nicht so, als er noch mit Melanie zusammen war, oder?»
«Sie war ein nettes Mädchen», sagte Tony. «Ruhig. Hübsch – ich hab nie verstanden, was sie in ihm gesehen hat.»
«Einen Seelenverwandten vielleicht?»
«Aber warum hat er dann …?» Tony wandte das Gesicht ab.
Merrily sagte schnell: «Sam Hall hat versucht, Melanie zu helfen, und er war dabei recht erfolgreich. Und Melanie hat versucht,diese Unterstützung an Roddy weiterzugeben. Vielleicht wollte sie, dass er zu ihrem Heilpraktiker ging, der ihr einen Anhänger gegeben hatte, der sie vor elektromagnetischen Strahlen schützen sollte. Aber Roddy wollte nichts davon wissen. Und ich frage mich, warum.»
Frannie Bliss sagte von hinten: «Ich glaube, das wissen wir beide ganz genau, oder?»
Sie nickte, während sich die anderen umdrehten. «Was ist los, Frannie?»
«Nichts Besonderes», sagte Bliss. «Ich dachte nur, ich höre mir mal an, was hier so läuft, bevor ich den nächsten Schritt unternehme.»
Merrily sagte zu Piers Connor-Crewe: «Was hat Lynsey Davies von Roddy gehalten, Piers? Für sie war er bestimmt kein Monster, oder?»
«Lassen Sie mich mit diesem Unsinn in Ruhe, Mrs. Watkins.»
«Ich glaube, Lynsey fand ihn
extrem
interessant. Und zwar, weil er gewissermaßen täglich mit dem Tod in Kontakt stand, vor dem er
keinerlei
Angst hatte. Und natürlich, weil er der Besitzer der Baptistenkapelle von Underhowle war, die Lynsey als eine Art Heiligtum betrachtete.»
Sie sah Huw an, doch er reagierte nicht. Der Engel schien ihr inzwischen beinahe ein Loch in die Hand zu brennen.
«Allerdings gab es da ein Problem. Roddy hatte nämlich eine feste Freundin, mit der ihn sehr viel verband. Und Melanie, die wohl schon Jahre an EH litt, hatte dank Sam plötzlich die mögliche Ursache gefunden. Und Aussicht auf Heilung.»
Merrily sah zu Sam hinüber. Er musste schon früher auf diesen Gedanken gekommen sein. Er verließ die Bank, blieb im Mittelgang stehen und schlug langsam die geballte Rechte in die linke Handfläche.
«Melanie wollte Roddy von ihrem Heilpraktiker überzeugen,und vielleicht hätte sie auch Erfolg gehabt. Vielleicht hätte sie ihm helfen können, wenn …» Sie öffnete die Hand und ließ den Engel an der zerrissenen Kette herabbaumeln.
«Wenn
. .
. »
«Wenn Lynsey Davies sie nicht vorher umgebracht hätte», sagte Sam.
«Oder jemand anderen dazu gebracht hätte, es zu tun?», sagte Merrily.
48 Veränderung
«Ach ja», sagte Moira Cairns, als wäre ihr gerade wieder eine leicht widerwärtige Verpflichtung eingefallen. «Hallo, Jane.»
«Das verstehe ich nicht.» Jane ging vom Kartenschalter weg. «Die
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