Der Himmel ueber Dem Boesen
in einem alten Haus mit Balken in den Wänden, die in der Oktobernacht knarrten. Es fühlte sich auf köstliche Weise der Zeit entrückt an, wie ein Ort, an den man nicht geglaubt hatte zurückkehren zu können, wo alles weich war und ein bisschen stickig, warm und unerlaubt. Und im
Pfarrhaus
… wo die Pfarrerin hereinkommen und einen erwischen könnte, während man
es tat
…
Es tun:
spontaner und spannender als
Liebe machen
. Dieser Beiklang von …
Sünde?
Beschämend. Äußerst beschämend. Und als sie dachte:
Das bin ich doch …
Ich
bin die Pfarrerin
, konnte sie nicht aufhören zu kichern und verbarg sich unter der Decke, denn in dieser Nacht gab es wirklich überhaupt nichts, worüber man hätte lachen können.
Jane hatte seit einer halben Stunde mit einem Buch im Bett gelegen, als Gomer an der Hintertür aufgetaucht war. Sie musste schon eingeschlafen sein – wenn sie ihn gehört hätte, wäre sie sofort heruntergekommen.
Es war Viertel nach elf. Gomer sah sehr müde aus, sogar mehr als müde: verstört, unglücklich. Er schien nicht in der Stimmung für eine Unterhaltung.
Er hatte ein Wrack bei sich, das Lols Kleidung trug.
«Der Junge war nich fit genug, um nach Haus zu fahrn, Frau Pfarrer. Ich dachte, Sie hättn vielleicht in einem der freien Zimmer ’n Bett für ihn. Wo Sie doch der Überzeugung sind, dass man den Müden und Beladenen Zuflucht bieten muss.»
Ja, hatte Merrily zugestimmt, die Möglichkeit gab es. Lol hatte schief gelächelt. Auf seiner Stirn klebte getrockneter Matsch. Das Futter seiner Jackentasche hing heraus. Er stand zwischen den heruntergefallenen Äpfeln auf dem Rasen und sah aus wie ein Flüchtling, der Osteuropa zu Fuß durchquert hatte. Sie hatte lachen wollen und ihn berühren.
Gomer sagte: «Und ich dachte, Sie wolln es sowieso wissen.»
Wissen?
Offensichtlich war es nicht ausgegangen wie erwartet. Als sie Gomer jetzt ansah, weiteten sich die schmalen Durchlässe der Angst wieder. Merrily hatte nichts gefragt, ihm nur Tee und etwas zu essen angeboten, was er ablehnte, weil er, wie er sagte, bis zum Morgen nicht mehr aufstehen würde, wenn er sich jetzt hinsetzte.
Sie hatte ihm nachgesehen, als er zu seinem Transporter ging, klein und grau vor den wenigen nächtlichen Lichtern von Ledwardine. Nur ein anderes Auto stand noch auf dem Marktplatz. Merrily war ins Haus gegangen, hatte Lol Tee gekocht und ihn allein gelassen, während sie schnell ein Bett machte – im fünften Schlafzimmer, dem kleinen im hinteren Teil des Hauses, das überder Küche lag und deshalb wärmer war als die anderen. Und weiter von der Treppe entfernt, die zu Janes Dachboden führte.
«Wir reden morgen früh», hatte Merrily gesagt.
Lol hatte ihr sofort alles erzählen wollen, aber sie war wieder aus der Küche gegangen, um ihm ein Bad einzulassen. Er war hier, bei ihr zu Hause. Was sollte sonst noch von Bedeutung sein?
Eine Menge, aber das konnte warten. Während er im Bad war, hatte sie fast alle seine Kleidungsstücke in die Waschmaschine gesteckt. Als sie eine knappe Stunde später bettfertig nach oben kam, lag er, immer noch in das Handtuch gehüllt, bäuchlings auf dem Einzelbett im fünften Schlafzimmer.
Sie hatte eine Weile nur dagestanden und ihn angesehen, seinen kompakten Körper, sein nasses Haar, bevor sie das Handtuch weggenommen und ihn mit dem Federbett zugedeckt hatte. Dann hatte sie ihren Wecker auf die Fensterbank gestellt, sich zum stillen Gebet hingekniet, und dann war sie neben ihn geschlüpft und hatte das Licht ausgemacht.
«Also sind wir … wir sind zurückgegangen», sagte Lol. «Etwas anderes konnten wir ja nicht tun.»
Sie lagen engumschlungen im Dunkeln in dem schmalen Bett.
«Es war das reine Chaos. Die Leute haben geschrien und gedrängelt, als stünde die ganze Gegend unter Strom. Konnten nicht schnell genug da wegkommen.»
Sie stellte es sich vor, erinnerte sich an den Strommast, der über dem Bungalow emporragte, in einem Tal, das vollständig mit Masten verpestet war.
«Bliss ist beinahe verrückt geworden. Hat alle vertrieben, außer Gomer und mir – und das auch nur, weil er Gomer beschimpfen wollte.» Lol starrte in die Dunkelheit. «Gomer hatte recht. Es ist zu einer öffentlichen Hinrichtung geworden.»
«Er war nicht mehr … da oben?»
«Nein, er ist abgestürzt. Als wir zurück zum Feld gekommen sind, lag er am Fuß des Mastes. Jemand hat gesagt, er hätte noch gezuckt, aber ich konnte nicht …»
«Aber
du
hast
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