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Der Himmel über der Heide (German Edition)

Der Himmel über der Heide (German Edition)

Titel: Der Himmel über der Heide (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofie Cramer
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freien Stühle sinken. So viele Fragen gingen ihr durch den Kopf, und doch war sie zu aufgewühlt, um Worte über die Lippen zu bringen. Sie konnte sich einfach nicht vorstellen, dass ihr Vater hier irgendwo lag, an Schläuche und Geräte angeschlossen, die über sein weiteres Schicksal entschieden. So ein starker, lebenshungriger Mann wie er konnte doch nicht einfach aus dem Leben gerissen werden. Nein, nicht ihr Vater! Ihn konnte so schnell nichts aus der Fassung bringen. Außer vielleicht ein packendes Fußballspiel. Unwillkürlich musste Kati an die Zeit denken, als ihr Vater sie häufiger mit ins Stadion nach Hamburg genommen hatte. Mit all seiner Begeisterung hatte er sogar sie angesteckt. Fußball war seine ganz große Leidenschaft. Im Heidehof zeigte er regelmäßig die wichtigsten Spiele im Gastraum, in dem er public viewing organisierte. Und während einer WM kamen sogar die Fußballfans aus der gesamten Nachbarschaft zusammen. Hinrich Weidemann und sein Gasthof waren ohnehin so etwas wie der Dreh- und Angelpunkt des Ortes. Und sein Heide-Barbecue war weit über die Gemeindegrenzen hinaus bekannt.
    Zusammen mit ihrem Freund hatte Kati bei der letzten WM das Endspiel in Uhlendorf gesehen. Zwar ergab sich nur selten die Gelegenheit, gemeinsam mit Simon aufs Land zu fahren, aber wenn, dann wurden sie während ihres Besuchs von allen Seiten maßlos verwöhnt.
    Wann war sie eigentlich das letzte Mal dort gewesen? Kati fuhr sich durch die Haare. Ihr wurde schwer ums Herz.
    «Es sieht nicht besonders gut aus», sagte Dorothee beinahe tonlos und sah Kati mit großen Augen an. «Sie haben ihn notoperiert und in ein künstliches Koma versetzt.»
    Kati stockte der Atem. Am liebsten hätte sie Dorothee in die Arme geschlossen und etwas Beruhigendes gesagt. Doch sie war unfähig einen klaren Gedanken zu fassen.
    Bitte, lieber Gott, flehte sie innerlich, bitte, lass ihn schnell wieder aufwachen!
    Ihre Kehle wurde immer enger. Mit glasigen Augen registrierte sie, wie Elli auf den Stuhl neben ihr sank.
    «Und was bedeutet das?», hörte Kati sich fragen. «Ich meine, die machen das doch bestimmt, damit sie ihn besser behandeln können, oder?»
    Dorothee zuckte mit den Schultern. «Ich kann es dir nicht sagen, Kati.»
    Sie wirkte beinahe schroff. Als hätte sie sich inzwischen gesammelt und in Windeseile ihre undurchdringliche Fassade wieder aufgebaut.
    «Alles, was ich weiß, ist, dass er sehr viel Blut verloren hat und der Kreislauf sich erst stabilisieren muss.»
    Kati hielt einen Moment die Luft an. Sie hing förmlich an Dorothees Lippen. Dann fragte sie: «Wie schlimm ist es wirklich?»
    «Ich weiß es nicht.»
    Erst nach einer kleinen Pause fügte Dorothee leise einen Satz hinzu, der Kati einen Schauer über den Rücken jagte: «So, wie ich es verstanden habe, stehen seine Überlebenschancen nicht zum Besten.»
    Die Vorstellung, dass ihr Vater womöglich nie wieder der souveräne und großzügige Gastwirt sein würde, als den sie ihn zeit ihres Lebens gekannt hatte, war für Kati unerträglich. Doch jetzt sollte sie einfach hier sitzen und warten. Benommen starrte sie vor sich hin. Stumm. Die Angst lähmte sie geradezu, und obwohl sie ihr Herz kräftig schlagen spürte, fiel ihr das Atmen schwer. Nein, ihm durfte nichts geschehen! Das Schicksal war bereits grausam genug mit ihnen umgesprungen. Sie konnte unmöglich erneut einen geliebten Menschen viel zu früh verlieren.
    Die nächste Zeit erlebte Kati wie in Trance. Sie hatte die schwache Hoffnung, wenigstens einen kurzen Blick auf ihren Paps werfen zu können. Außerdem wollte sie persönlich mit den Ärzten sprechen. Gleichzeitig fühlte sie sich wie in einen Schleier gehüllt, und sie wagte nicht diesen Schleier wegzuschieben. Zu beängstigend erschien ihr die nackte Wahrheit.
    «Liebes …» Erst als ihre Großmutter sie sanft am Arm berührte und ihre Worte wiederholte, wurde sich Kati ihrer Umgebung wieder bewusst. «Wir müssen das Beste hoffen. Es wird bestimmt alles gut.»
    Kati vermochte nicht zu sagen, wie lange sie dort gesessen und auf die graugrüne Wand gestarrt hatte. Ob Elli die ganze Zeit schon ihre Hand gehalten hatte? Kati sah die Großmutter liebevoll an. Wie vertraut ihr faltiges, gütiges Gesicht war!
    Obwohl man Elli ihre beinahe 83 Jahre durchaus ansehen konnte, war noch immer die schöne Frau zu erahnen, die sie früher gewesen sein musste. Auch wenn sie ihre Arbeit im Heidehof nur selten ruhen ließ und kaum aus dem Dorf herauskam, hatte

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