Der Himmel über der Heide (German Edition)
Jähzorn, und sie wusste, dass Dorothee stets wenige Minuten später wie ausgewechselt zurückkam und zur Tagesordnung überging, als wäre nicht das Geringste vorgefallen.
Wie nichtig erschien ihr jetzt dieser Streit um die Vorhangkordeln!
Im Krankenhaus hatte Dorothee außerdem eine ganz neue Seite von sich gezeigt: Wie weich, ja, geradezu verletzlich sie gewirkt hatte! Es musste schrecklich sein, Angst um den geliebten Mann zu haben, mit dem man den Lebensabend verbringen wollte. Kati hatte noch immer Dorothees erschrockene Miene vor Augen, mit der sie ans Krankenbett getreten war.
Katis Vater stand nur wenige Jahre vor der Pensionierung. Er hatte Dorothee in Aussicht gestellt, im Ruhestand hätte all der Stress auf dem Heidehof ein Ende, und sie würden endlich die Reisen nachholen, die sie wegen des aufreibenden Familienbetriebs nicht hatten unternehmen können.
Nach der Rückfahrt hatte sich Dorothee offenbar in ihren Teil des Hofes zurückgezogen. Das war Kati nur recht, denn sie wollte sich ganz ihrer Großmutter widmen. Sie wusste, dass Elli ihre Gefühle und Sorgen stets gut verbarg.
Aus der kleinen Küche, die vom Wohnstübchen abging, drang vertrautes Klappern. Kati legte ihre Tasche auf einen Stuhl und betrat den Raum mit der niedrigen Decke. Trotz der noch immer drückenden Schwüle draußen war es hier angenehm kühl.
Elli hatte bereits Tee gekocht und reichte ihrer Enkelin eine Tasse.
«Hast du Simon erreicht?», fragte sie.
Kati rollte mit den Augen. «Natürlich nicht.»
«Na, er wird sich bestimmt bald melden.»
Kati war sich da nicht so sicher. «Ach, mich ärgert, dass er einfach nie da ist, wenn man ihn braucht.»
Fragend sah Elli sie an und wartete auf eine ausführlichere Erklärung. Doch Kati winkte ab. «Wenn er Zeit mit mir verbringen will, soll er halt herkommen und mit anpacken, statt …»
Kati bremste sich. Sie wollte ihre Großmutter nicht auch noch mit ihren Beziehungsproblemen belasten oder sich darüber auslassen, dass sich ihr Freund mit dem Zurückrufen häufig reichlich Zeit ließ.
«Er kann doch nichts dafür, wenn er so viel auf Geschäftsreisen muss», sagte Elli verständnisvoll.
Kati biss sich auf die Lippe und ließ sich auf einen der Holzstühle fallen. «Du hast ja recht. Ich weiß, dass ich mich auf ihn verlassen kann, wenn es drauf ankommt.» Und nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: «Meistens jedenfalls.»
Schweigend tranken sie ihren Tee. Kati rührte in ihrer Tasse und dachte wieder an ihren Vater im Krankenhaus. Sie hatte ganz andere Sorgen, als sich über Simon zu ärgern.
«Was hat Dorothee im Krankenhaus nun eigentlich gemeint? Wieso macht sie Paps Vorwürfe?»
Elli knetete ihre Hände und seufzte. «Ach weißt du, Liebes … Es ist alles nicht so einfach.»
«Was ist nicht einfach?»
Elli schenkte sich Tee nach und trank einen Schluck. Dann fasste sie sich ein Herz und erklärte: «Nun, dein Vater und ich, wir … wir hielten es für besser, dir nichts davon zu sagen …»
«Wovon nichts zu sagen?», fragte Kati ungeduldig. Sie spürte, wie Angst in ihr aufstieg. Was hatten sie ihr verheimlicht?
«Nun, dir nicht zu sagen, dass er …» Hilflos sah Elli zu Boden. «Dass er ein … ein Geschwür im Magen hat.»
Kati schluckte schwer. Einige bisher nicht zusammenpassende Puzzleteile bildeten in ihrem Kopf mit einem Mal ein etwas vollständigeres Bild.
«Papa hat ein Magengeschwür?», fragte sie bestürzt. «Deswegen hat er in letzter Zeit Tabletten genommen und nicht, weil er Bluthochdruck hat?!»
Elli nickte. «Es waren nur zwei kleine Stellen, die er nicht operieren lassen wollte … Du kennst ihn doch.» Ihre Worte klangen beinahe entschuldigend, als sie noch hinzufügte: «Wir wollten nicht, dass du dir zu viele Sorgen machst.»
Kati schüttelte ungläubig den Kopf. «Aber … das kann doch nicht wahr sein!» Sie fuhr sich durch das halblange Haar und erklärte: «Oma, du hättest es mir sagen müssen! Ich weiß, du meinst es nur gut. Aber zusammen hätten wir ihn bestimmt zur Vernunft gebracht. Und jetzt …»
Kati stockte.
Wie ein prallgefüllter Ball, der sich einfach nicht unter Wasser drücken lässt, sondern immer wieder an die Oberfläche drängt, kam ihr ein schrecklicher Gedanke: Was, wenn ihr Vater wirklich sterben würde?
«… Und jetzt ist es vielleicht zu spät», sagte sie leise und seufzte schwer. «Warum immer wir? Haben wir nicht schon genug durchgemacht?»
Sie atmete ein paar Mal durch, nippte an
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