Der Himmel über Garmisch (German Edition)
von dreien. Das ist aber nicht sicher.«
Boris schwieg einen Moment. »Woher wissen Sie das alles?«, fragte er dann.
»Von einem Mann, der für die Frau arbeitet.«
»Dann rechnet sie mit einem Besuch.«
»Unwahrscheinlich«, sagte Hardy.
»Verstehe.« Boris sah Hardy an und wies mit dem Daumen über seine Schulter. »Das ist Iwan. Er wird mit Ihnen dorthin fahren.«
***
»Bauernhof«, sagte Iwan. »Allein. Nicht gut.«
»Ja«, sagte Hardy.
Die letzte Laterne lag hinter ihnen. Iwan steuerte den Mercedes die schmale Straße hinauf. Rechts und links war nichts als Wald zu erkennen.
»Was machen wir hier?«, fragte Hardy. »Das ist sinnlos. Wir kennen die Gegend nicht, wir kennen das Haus nicht, wir kennen die Leute nicht. Was soll das?«
»Boris sagt: Geh hin. Du gehst hin«, sagte Iwan. Er sah stoisch geradeaus.
»Zum Teufel, man geht hin und guckt erst mal, was los ist. Im Hellen, wenn man was sieht. Das hier ist irre.«
Iwan fuhr weiter.
»Du hast es selbst gesagt: Nicht gut«, sagte Hardy.
Iwan fuhr weiter, an einem Abzweig vorbei.
»Heh«, sagte Hardy. »Stand da nicht was von Bruggerhof auf dem Schild?«
Iwan antwortete nicht. Nach hundert Metern hörte der Asphalt auf. Die Reifen knirschten auf grobem Schotter. Hardy öffnete den Knopf seines Jacketts und tastete nach dem Griff seiner Kimber.
Das Licht der Scheinwerfer strich über Bäume, Büsche und Schlaglöcher. Eine Kurve folgte der anderen. Iwan sah immer noch schweigend geradeaus. Dann bog er plötzlich scharf nach rechts ab. Ein schmaler Weg, steiler als der zuvor, wand sich den Hang empor. Nach vielleicht zweihundert Metern weiteten sich die Bäume zu einer Lichtung. Iwan hielt an. Er schaltete die Zündung aus. Langsam wandte er seinen Blick zu Hardy und zog eine Glock aus dem Schulterholster.
»Besser, wir nicht kommen von vorn«, sagte er und stieg aus.
Hardy atmete durch. Er überprüfte den Sitz seiner Lederhandschuhe und zog seine 1911er. Draußen umfing ihn ägyptische Finsternis.
»Wo sind wir?«, fragte er leise.
»Haus da unten«, sagte Iwan. Falls er irgendwohin zeigte, war es nicht zu erkennen.
Hardy fühlte sich am Ärmel gegriffen und fortgezogen. Er stolperte hinter Iwan her durch die Dunkelheit hangabwärts.
»Hast du keine Lampe?«, fragte Hardy.
»Lampe sie sehen mehr als wir«, erhielt er zur Antwort.
»Und wie kommen wir da runter?«
»Hell genug«, sagte Iwan. »Du nur bist blind.«
Hardy verbiss sich eine Antwort. Er kniff die Augen zusammen und öffnete sie wieder. Iwan hatte recht. Es war hell genug. Genug, um heil voranzukommen. Ob es hell genug für den Rest war, würde sich zeigen müssen.
Carlos Idee war es gewesen, Boris den Angriff auf den Hof machen zu lassen. Als Idee nicht schlecht. Aber Boris schien eigene Pläne zu haben. Hardy verstand nur nicht, welche. Warum schickte er sie zu zweit hier hoch, in ein Terrain, das sie nicht kannten? Gegen einen Feind, von dem sie nichts wussten?
»Stopp«, sagte Iwan leise. »Da.«
Er ging in die Hocke. Hardy tat es ihm gleich. Unter ihnen glomm ein einzelnes Licht durch die Zweige; eine Lampe, die an einem Giebel hing. Sie beleuchtete den Giebel und ein paar Dutzend Quadratmeter nicht asphaltierten Hofes. Außer den Geräuschen des Waldes war nichts zu hören.
Iwan zeigte auf die Wand links des Giebels. »Da ist Tür. Los.« Er richtete sich auf.
»Heh«, sagte Hardy. »Jetzt mal langsam. Was geht hier ab?«
Iwan drehte sich langsam zu ihm um. »Boris sagt: Geh. Du gehst.«
»Wieso kennst du dich hier so gut aus?«
»Ist mein Job.« Iwan war nur als solide dunkle Masse vor ihm zu erkennen. »Wir gehen. Ich kenne Weg.«
»Nein. Das hier stinkt.«
»Boris sagt: Geh. Iwan sagt: Geh. Du besser gehst.«
In der Mitte der dunklen Masse war nun ein noch dunklerer Fleck, der sich Hardy entgegenzurichten schien.
»Du besser gehst«, wiederholte Iwan.
»Scheiße«, sagte Hardy, aber er nickte. Boris versuchte, sie zu ficken. Nicht wie und nicht warum, aber dass hier eine garstige Nummer ablief, war klar. Und aus dieser Nummer musste er raus. Jetzt. Er hatte nur keine Ahnung, wie.
»Los«, sagte Iwan. »Du vor.«
Hardy setzte sich in Bewegung. Schritt für Schritt Halt suchend, kletterte er den Hang hinunter. Er versuchte, so leise wie möglich zu sein, aber in der Stille der Nacht hatte er das Gefühl, Lärm zu erzeugen wie ein panisches Flusspferd.
»Haben die einen Hund?«, fragte er flüsternd nach hinten.
» Njet «, antwortete
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