Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Himmel über Garmisch (German Edition)

Der Himmel über Garmisch (German Edition)

Titel: Der Himmel über Garmisch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Schüller
Vom Netzwerk:
sie bei der Polizei arbeitete.
    So wie Silvia. Silvia Fuchs hieß sie, und sie würde den Namen trotz ihrer Scheidung nicht ablegen. So viel wusste er schon.
    »Hardy, du siehst jeden Tag besser aus«, sagte Silvia.
    »Danke, ich fürchtete schon, du würdest ›jünger‹ sagen.« Er winkte der Kellnerin.
    Der Tipp stammte von Gunther, woher der ihn hatte, wusste Hardy nicht, es war auch nicht wichtig. Er hatte die Dame sorgfältig zufällig in der Buchhandlung in der Fußgängerzone getroffen, wo sie im Krimiregal stöberte, und sie nach einer Buchempfehlung gefragt. Und er war mit achtundfünfzig noch gut genug in Form, um den Rest mit einer gewissen Routine abzuwickeln.
    Die Kellnerin erschien, und er bestellte Scotch mit Eis für sich und Prosecco für sie.
    Seit vier Wochen sahen sie sich regelmäßig ein-, zweimal in der Woche. Sie erzählte von ihrer Scheidung, was der anstrengende Teil war. Nach etwa einer Stunde begann sie, von der Arbeit zu berichten. Das war genauso anstrengend, aber erheblich interessanter. Da konnte man zum Beispiel eine Menge über die Eskapaden des Sohnes einer Nürnberger Halbweltgröße erfahren. Tanzen war Gott sei Dank nicht ihr Ding, sodass es zum Ende des Abends hin nach ein paar Drinks an der Bar meist direkt zu ihr ging. Ihr Mann hatte ein schönes Haus zurückgelassen.
    »Ich muss doch tatsächlich morgen schon wieder zum Anwalt«, sagte sie. »Mein Mann weigert sich, seinen Anteil für die Heizungserneuerung zu übernehmen.«
    Alles in allem hatte Hardy schon erheblich schmutzigere Jobs gehabt. Nicht dass er stolz drauf gewesen wäre, aber er hatte nicht das Gefühl, jemanden zu verletzen. Was für einen seiner normalen Jobs schon mal ganz nett war. Am Ende vielleicht, wenn er einfach verschwinden würde, würde es ein paar Tränen geben bei ihr, aber so weit war es ja noch nicht. Noch freute sie sich darauf, ihn zu sehen. Und mit ihm zu reden.
    Wenn sie erzählte, tat ihm ihr Ex manchmal leid. Aber letztlich waren Ex-Männer immer selber schuld. Falsche Frau, falscher Ehevertrag, Ende im Gelände. Die Chancen sind bekannt, und sie sind schlecht. Er hatte keine Ahnung, warum sich alle geradezu drum prügelten, am Ende reingelegt zu werden.
    Und wenn du nicht reingelegt wirst, dachte er, endest du wie Carlo.
    »Und dann ist heute doch tatsächlich mein alter Chef wieder aufgetaucht«, sagte Silvia. »Von dem muss ich dir erzählen. Ein ganz toller Mann. Ist jetzt beim LKA . Er ist wegen einem Drogenfall hier.«
    »Ach was«, sagte Hardy. »Das klingt ja spannend.« Sein Blick fiel durch das Fenster auf die dunkle Partnachstraße. Eine Frau stand auf der anderen Straßenseite im Schatten und sah zu ihm herüber. Er war sich nicht sicher, aber es schien Marie zu sein.
    »Was ist da?«, fragte Silvia.
    Er lächelte sie an. »Nichts weiter.« Als er wieder hinaussah, war die Frau verschwunden. »Erzähl weiter«, sagte er. » Warum ist dein alter Chef wieder da?«
    ***
    Carlo erwachte aus einem schweren Traum, um Atem ringend. Details erinnerte er nicht, aber er fühlte sich niedergeschlagen. Erst nach und nach realisierte er, dass es eine ungewöhnliche Zeit fürs Erwachen war, und er brauchte einen weiteren Moment, um sich klarzumachen, warum er überhaupt im Bett lag.
    Es benötigte einige Willensanstrengung, um hochzukommen und sich auf den Bettrand zu setzen. Er fröstelte, das Unterhemd, das er trug, war durchgeschwitzt. Ächzend erhob er sich und ging ins Bad. Er brauchte eine Dusche.
    Das heiße Wasser prasselte auf seinen Schädel, aber es schien überhaupt keine Wirkung zu haben. Weder erfrischte es ihn, noch hob es seine Stimmung. Er faltete die Hände und presste sie gegeneinander, so fest es seine Brustmuskeln zuließen. Die Kraft war wieder da, aber er war weit von seiner Normalform entfernt. Er drehte das Wasser ab und griff nach dem Handtuch. Mit einer müden Bewegung wischte er den beschlagenen Spiegel trocken. Die Hände aufs Waschbecken gestützt, sah er hinein. Er schüttelte traurig den Kopf, als er seinem Gegenüber in die Augen sah. Der Mann im Spiegel wirkte erschöpft, mutlos. Es fehlte der Wille, der sonst in diesen Augen stand, die Entschlossenheit.
    »So geht’s nicht weiter«, sagte Carlo.
    Aber er zog einen frischen Pyjama an und legte sich wieder ins Bett.

VIER
    Silvia lag auf dem Rücken und schnarchte gar nicht so leise. Die roten Leuchtziffern ihres Radioweckers zeigten vier Uhr neunundvierzig. Hardy streifte die Bettdecke zur Seite und stand

Weitere Kostenlose Bücher