Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Himmel über Kasakstan

Der Himmel über Kasakstan

Titel: Der Himmel über Kasakstan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Gerippen und uniformierten Halbaffen. Ich brauche ihn wie ein Süchtiger sein Morphium.
    »Ja«, sagte sie.
    »Wo ist sie?!« Boris sprang aus dem Bett. Tief atmend sah die Kolzwoskaja an ihm empor.
    »Du liebst sie noch immer?«
    »Sie bekommt ein Kind von mir.«
    »Sie ist tot!« sagte die Kolzwoskaja hart.
    Boris senkte den Kopf. Es war, als habe das Wort ›tot‹ ihn allen Haltes beraubt. Er sank auf das Bett zurück und stützte den Kopf in beide Hände. Er fühlte nicht, wie die Ärztin über seine Haare strich, wie ihre zitternden Finger über seine Arme tasteten, über seine Brust, über den gebeugten Rücken, kosend, werbend, heiß, mit feuchten, schwitzenden Innenflächen der Hände.
    »Svetlanaschka …«, sagte Boris leise.
    Die Hände der Kolzwoskaja zuckten zurück, als habe sie sich verbrannt. Ihre Augen funkelten.
    »Sie starb im Straßengraben«, sagte sie. »Ein Mann vom NKWD erinnerte sich daran. Man fand sie eines Morgens kalt und erfroren in der Gosse. Keiner wußte, wer sie war, bis Genosse Tschetwergow sie identifizierte.«
    »Meine arme Svetlanja …« Boris schloß die Augen. Er legte sich zurück auf das Bett und blieb so, mit geschlossenen Augen, liegen. »Laß mich allein …«, sagte er, als er wieder die Hände der Ärztin auf seiner Brust spürte.
    »Das Leben gehört den Lebenden, Boris.«
    »Sie war herrlich und rein wie ein Engel«, stöhnte er.
    »Bis Iwan Kasiewitsch Borkin kam«, sagte die Kolzwoskaja gehässig.
    »Ich habe es mit Blut weggewaschen … Sie war wieder rein!«
    »Die Moral eines Mörders! Natascha Trimofa mag dich als einen Helden angesehen haben – für mich bist du ein kleiner Mörder. Aber ein schöner Mörder! Ist es nicht verrückt, daß man einen Mörder lieben kann?«
    »Geh!« sagte Boris voller Qual.
    »Ich bringe dir einen Tee. Einen Tee mit Wodka.« Boris schüttelte den Kopf.
    »Ich möchte zurück ins Lager –«
    »Du bist verrückt.« Die Kolzwoskaja umarmte Boris. Sie drückte ihr Gesicht gegen seine Schulter und küßte ihn. »Man wirft sein Leben nicht wegen eines Mädchens weg.« Sie faßte seinen Kopf mit beiden Händen und drehte ihn zu sich herum. »Ich habe schon einen Plan, wenn du als ›geheilt‹ entlassen werden mußt. Ich werde dich als Sanitäter anfordern … Stephan ist ein alter Mann. Er wird es im Bergwerk drei Wochen aushalten, dann ist die Stelle frei für dich. Ich werde sagen, Stephan habe die Kranken bestohlen … es wird mir keiner widersprechen.«
    »Du bist der größte Satan, der geschaffen werden konnte«, sagte Boris ehrlich.
    »Ich bin es!« Ihre Wangen glühten. Ihr schönes, unerhört leidenschaftliches Gesicht glänzte. Sie erhob sich von dem Bett, rückte den verrutschten Rock gerade, stopfte die Bluse in den Rockbund und strich sich mit beiden Händen über die Haare. Es war wie das morgendliche Recken einer Katze, ungezähmt und wundervoll. Als sie die Hände von den Haaren nahm, strich sie mit ihnen über ihre Brüste. »Ich komme wieder«, sagte sie schweratmend. »Ich werde die Türe abschließen.«
    »Laß mich zurück ins Lager!« Boris sprang auf. Er ballte die Fäuste. »Ich kann dich nicht mehr sehen!«
    »Es ist nur der erste Schmerz.« Sie lächelte Boris an. Es war ein grausames Lächeln. »So eine kleine Dirne kann man schnell vergessen –«
    Sie schloß die Tür hinter sich. Voll ohnmächtiger Wut stand Boris mitten im Raum. Es war nichts da, was er ihr hätte an den Kopf werfen können. »Satan!« brüllte er ihr nur nach. »Satan! Satan!«
    Dann ging er zu seinem Bett, riß es auseinander, zertrümmerte das Gestell, zerfetzte mit den Händen die Seegrasmatratze und zerriß die Decke, das Bettuch, den Bezug, das Kissen. Es war eine völlig sinnlose Arbeit, aber sie beschäftigte seine Wut und verminderte den Druck in der Brust, von dem er dachte, er zersprenge den ganzen Körper.
    Die Kolzwoskaja stand draußen vor der Tür und hörte das Zerstörungswerk. »Stephan!« schrie sie durch den Gang. »Stephan! Wo bist du Mistbock?!«
    Der alte Sanitäter sah aus einem Zimmer. »Kapitän?« rief er. »Was ist?«
    »Rote Farbe! Pinsel! Lauf schon, du fauler Hund!«
    Fünf Minuten später malte sie quer über die ganze Tür mit leuchtend roter Farbe das Wort: Dlja shisni!
    Lebensgefahr!
    Niemand in Rußland würde jemals dieses Zimmer betreten …
    *
    In Judomskoje und Alma-Ata saßen sowohl Ilja Sergejewitsch Konjew wie auch Stephan Tschetwergow mit dicken, heißen Köpfen hinter ihren Tischen und

Weitere Kostenlose Bücher