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Der Himmel über Kasakstan

Der Himmel über Kasakstan

Titel: Der Himmel über Kasakstan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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zu reden.
    *
    Verstört lief Erna-Svetlana aus der großen Lazarettbaracke hinaus auf den weiten Platz, rannte hinüber zu dem Kesselhaus und stolperte dort außer Atem in die Arme der Puronanskija.
    Bevor sie etwas sagen konnte, fühlte sie ein heißes Brennen im Gesicht. Erst dann begriff sie, daß sie ins Gesicht geschlagen worden war. Sie taumelte zurück und hielt sich an einem mit Stroh umwickelten Wasserrohr fest.
    »Wo warst du?« schrie Olga. »Alle anderen sind schon da … und du kommst eine halbe Stunde später und ohne einen Krümel Wäsche?! Na warte, du faules Luder! Hast wohl mit den Soldaten hinter den Baracken herumgehurt, was?« Sie hob die Faust und wollte Svetlana wieder schlagen, aber diese streckte beide Arme empor und wehrte den Schlag ab.
    »Ich war bei der Ärztin«, schrie sie Olga an. Es war eine Auflehnung, die wie ein Gegenschlag wirkte. Verwundert ließ die Puronanskija die Faust sinken und rang nach Luft.
    »Du bist doch eine Spionin«, keuchte sie. »Du hast der Wölfin gemeldet, was wir mit den Kleidern der Toten machen, was? Gestehe es! Du hast uns verraten!« Das Gesicht Olgas war verzerrt. Sie sah wie eine Medusenmaske aus … selbst die Schlangen waren vorhanden … ihre glanzlosen Haare schlängelten sich um das feiste Gesicht.
    Erna-Svetlana schüttelte den Kopf. »Ich habe nichts verraten! Warum glaubt ihr bloß alle, daß ihr verraten werdet?!«
    »Weil es in Rußland von Verrätern stinkt! Was wollte die Kolzwoskaja von dir?«
    »Sie will mich zwingen, wegzugehen.«
    »Endlich ein kluger Gedanke von diesem Weib! Aber du kannst nicht gehen, was?«
    »Nein.«
    »Du bist von Alma-Ata hier eingesetzt, was?«
    »Ich muß bleiben wegen Boris.«
    »Boris! Boris!« Olga Puronanskija lachte ordinär. »Etwas Besseres fällt denen in Alma-Ata auch nicht ein! Ich habe nie an diesen Boris geglaubt! Es gibt ihn nicht.«
    »Er ist hier im Lager. Dort … in den Baracken.« Sie zeigte zu dem riesigen Holzzaun hin, über den der Rauch aus den vielen Barackenschornsteinen schwebte.
    »Und du bist hier … Jenseits der Baracken … Was willst du von ihm?«
    »Ihn sehen –«
    »Und nur, um ihn zu sehen, stehst du jeden Tag zehn Stunden an den Kesseln?«
    »Ja –«
    »Das glaubt dir keiner!«
    »Weil ihr alle nicht wißt, was Liebe ist.«
    »Liebe!« Olga Puronanskija spuckte aus. »Es soll Frauen geben, die zehn Kinder haben und immer noch nicht wissen, was es ist. Geh mir weg mit diesen idiotischen Reden …«
    Sie winkte zu den Kesseln hin und ging hinaus.
    Die Vorarbeiterin, die sie von weitem beobachtet hatte, kam auf Erna-Svetlana zu und legte den Arm um ihren Hals.
    »Komm«, sagte sie fast mütterlich. »Sortiere die neue Wäsche. Was wollte das Aas von dir?«
    »Sie glaubt nicht, daß es Boris Horn gibt.«
    »Gibt es ihn wirklich?«
    Erna-Svetlana antworte nicht. Sie löste sich von dem Arm der Vorarbeiterin und ging zurück zu den dampfenden Kesseln. Sie nahm das große Rührholz, strich die Haare in den Nacken zurück und begann, die kochende Wäsche zu bewegen … wie eine Maschine … hin und her … hin und her … untergehend im feuchten Nebel, der aus den Kesseln stieg.
    Wie sagte ein russischer Philosoph: Wenn es kein Mißtrauen mehr gibt, ist es die Todesstunde Rußlands …
    *
    Als Boris aus seinem Schlaf erwachte und sich auf den Rücken drehte, sah er die forschenden Augen Wanda Kolzwoskajas über sich. Zuerst erschrak er, aber dann lächelte er.
    »Gut geschlafen?« fragte sie. Er nickte und richtete sich auf. Dabei fiel die Decke von ihm ab … er lag mit bloßem Oberkörper im Bett. Das Gesicht der Kolzwoskaja wurde steinern. Sie hob die Hand und strich leicht über die dichtbehaarte Brust. Das Darüberhinweggleiten der Fingerspitzen erzeugte in ihr ein Gefühl, als zuckten Stromstöße durch ihren Körper.
    »Du hast geträumt, mein Liebling?«
    »Nein. Ich habe fest geschlafen. Es ist das erste richtige Bett seit einem halben Jahr.«
    Die Kolzwoskaja zog die Fingerspitzen zurück. Sie zwang sich, die nackte Brust Boris' nicht zu sehen und starrte an ihm vorbei gegen die getünchte Wand.
    »Hast du nicht erzählt, daß du eine Frau hast?« fragte sie. Boris beugte sich vor.
    »Du hast Nachricht von ihr?!« Er umklammerte ihren Oberarm. Sie biß die Zähne aufeinander, um nicht aufzuschreien. Wie stark er ist, durchfuhr es sie. Wie Schraubstöcke sind seine Finger. Nie, nie gebe ich ihn der kleinen gelben Katze wieder. Er ist der einzige Mann unter diesen tausenden

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