Der Himmel über Kasakstan
starrten Löcher in die von Machorkaqualm bläulich gefärbte Luft.
Vertrauliche Mitteilungen waren aus Moskau gekommen. Beamte aus der Kremlverwaltung hatten es zuerst Tschetwergow brieflich und dann auch telefonisch unter Beschwörungen größter Diskretion mitgeteilt: Genosse Josef Wissarionowitsch Dschugaschwili, der sich Stalin nannte, war schwer erkrankt.
Noch wußte es keiner. Niemand im Land, erst recht niemand außerhalb der russischen Grenzen. Genosse Josef Wissarionowitsch hatte einige Schwächeanfälle bekommen … über eine Stunde lang lag er ohne Besinnung auf dem Sofa seines Arbeitszimmers, um sich herum die Genossen Malenkow, Chruschtschow und Molotow und zwei Ärzte, die um ihren Kopf arbeiteten und doch nichts weiter wußten, als festzustellen: Das Herz ist verbraucht.
Tschetwergow hatte daraufhin sofort Konjew angerufen.
Ilja Sergejewitsch reagierte nicht sofort. »Was soll's, Brüderchen?« fragte er. »Der Alte geht, und ein anderer kommt. Hier bei uns ändert sich nichts.«
»Sind Sie vom letzten Geist verlassen, Konjew?« stöhnte Tschetwergow. Er hockte hinter seinem Schreibtisch, und sein gelbliches Gesicht war noch gelber und zerknitterter geworden. Seine süße Sekretärin hatte er aus dem Zimmer gejagt, um allein mit seinem Schmerz zu sein. »Haben Sie denn schon den Fall Borkin vergessen?«
»Borkin? Was hat denn der mit dem Tod des Genossen Stalin zu tun?«
»Noch ist er nicht tot, Konjew.« Tschetwergow klopfte mit der Faust auf den Tisch. »Wir haben gute Ärzte. Die russische Medizin ist allen anderen überlegen! Aber wenn Stalin wirklich stirbt … Bedenken Sie: Borkin war ein Freund Stalins. Wir haben Boris Horn, Natascha Trimofa, Svetlana Bergner, den Idioten Fedja, die geile Sussja und Boborykin – na sagen wir es milde – belästigt! Wegen Borkin! Um Stalin in den Hintern zu kriechen! Um Moskau nicht aufzuregen! Und jetzt kann das alles gegen uns ausgewertet werden, wenn Malenkow oder Chruschtschow die Nachfolger werden. Man wird uns Stalintreue vorwerfen.«
»Mist«, sagte Konjew ehrlich. »Aber wieso soll das, was dreißig Jahre lang richtig war, auf einmal falsch sein?«
»Eine solch dusselige Frage können auch nur Sie stellen! Als Lenin starb, war auch alles falsch. Dann mußte Trotzkij weg. Dann wurden Tuchatschewskij und seine Offiziere zu Verrätern und liquidiert. Jagoda hielt sein Genick hin … es ging wie am laufenden Band. Wenn wir uns nicht bald umstellen, Ilja Sergejewitsch, sind wir die nächsten.«
Konjew begann, kalt zu schwitzen. Genickschuß dachte er, ist etwas Unschönes. Und nur, weil man das tat, was man tun mußte. Es ist wirklich schwer, in Mütterchen Rußland zu leben. Es war immer schwer. Unter dem Zaren prügelten uns die Großfürsten und Bojaren … in der Volksrepublik verschicken uns die Genossen Kommissare in die einsamsten Lager oder drücken ihr Pistölchen gegen unseren Nacken. Wie soll man sich da auskennen, was richtig ist?
»Was verstehen Sie unter umstellen, Genosse?« fragte Konjew schwach.
Tschetwergow kaute an seiner Unterlippe. Die Angst vor den kommenden neuen Herren im Kreml saß ihm im Nacken.
»Zunächst abwarten. Und dann das Gegenteil tun von dem, was wir bisher getan haben! Ist nicht der neue Pächter der Datscha auch ein Freund Stalins?«
»Piotr Alexandrowitsch Tagaj? Aber ja.« Konjew runzelte die Stirn. Er dachte daran, daß der geizige Tagaj noch immer nicht sein Einzugsfest gegeben hatte, sondern lediglich einen schrecklich sauren Wein hinüber zum Hause Konjews schickte mit dem Bemerken, er solle es sich gut schmecken lassen. Konjew hatte den Wein in eine Suppe geträufelt, aber auch da war er so sauer, daß er die Suppe den Schweinen vorschüttete.
»Was macht er?« fragte Tschetwergow.
»Er frißt vor Geiz seinen eigenen Dreck. Ein widerlicher Kerl, Genosse.«
»Wenn Stalin wirklich sterben sollte, werde ich sofort zu Ihnen kommen.« Tschetwergow schöpfte wieder etwas Hoffnung.
»Vielleicht ist es eine gute Empfehlung für Moskau, wenn wir diesen Tagaj von der Datscha jagen als Konterrevolutionär. Wir werden es schon drehen, Konjew.«
»Ich verlasse mich ganz auf Ihr Genie, Genosse Tschetwergow«, sagte Konjew unterwürfig.
Dann saß er noch eine Stunde sinnend im Zimmer und beachtete Marussja nicht, die neugierig um ihn herumstrich.
»Ist etwas, Iljascha?« fragte sie nach einer Weile. Sie wäre geplatzt, wenn sie es nicht gefragt hätte.
»Laß mich in Ruhe, Weib!«
»Was wollte Genosse
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