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Der Himmel über Kasakstan

Der Himmel über Kasakstan

Titel: Der Himmel über Kasakstan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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es!«
    »Nein!« rief Svetlana.
    Der Junge riß an ihren Haaren. Er schüttelte sie hin und her und schlug ihr mit der anderen flachen Hand in das tränenüberströmte Gesicht.
    »Sag es!« brüllte er. »Sag es!« Die anderen Jungen klatschten Beifall wie bei einem Sportfest.
    Erna-Svetlana schloß die Augen. Ihre dünne Stimme flatterte durch die plötzliche Stille, die sie umgab, und brach dann zusammen.
    »Mein Vater war ein Lump und Mörder –«
    »Und meine Mutter –«
    »Nein!« schrie sie. »Die Soldaten haben sie zertreten. Ich habe es ja gesehen …«
    »Sag es!« zischte der Junge und schlug sie wieder..
    »Meine Mutter war eine Hure –«
    Als sie es gesagt hatte, brach sie zusammen. Sie lag im Steppengras, ein kleines Häuflein voller Zittern und Weinen, zugedeckt mit blonden Haaren, in die die Abendsonne einen blutigen Schein mischte.
    Zufrieden stiegen die Jungen wieder auf ihre Panjewagen.
    »Ein herrlicher Spaß«, sagte einer von ihnen laut. »Das machen wir jetzt jeden Tag. So lange, bis die Deutsche in die Wüste wegläuft und verdurstet.« Er schnalzte mit der Zunge. »Dawai!«
    Die drei Wagen fuhren weg. Aber sie fuhren in die Schafherde hinein, trieben sie auseinander, jagten sie über die Steppe weg und zerstreuten die Tiere in alle Richtungen. Erst, als die Herde völlig auseinandergerissen war und die verängstigten Schafe in wilder Flucht davonrannten, wendeten sie die Wagen und fuhren singend nach Judomskoje zurück.
    Ihr Gesang lag noch lange in der Luft, die wie Himmel und Erde glühte und rot war wie die untergehende Sonne.
    In der Nacht kehrte Iwan Kasiewitsch Borkin aus Balchasch zurück. Wie jeden Abend ging er auf Zehenspitzen in das Zimmer Svetlanas, um zu sehen, ob sie schlief. Wenn sie im Schlafe lächelte, war auch er glücklich.
    Er fand sie im tiefen Schlaf, aber noch immer schüttelte wildes Schluchzen den ermatteten Körper. Entsetzt beugte sich Borkin über die Schlafende … auf ihrem Gesicht sah er deutlich Abdrücke von Schlägen. Dort, wo das goldene Haar begann, war sogar ein Riß in der Haut, über der Stirn. Das Haar war dort leicht von Blut gerötet.
    Borkin rannte aus dem Zimmer. Im Haus riß er alle Türen auf und brüllte mit seiner mächtigen Stimme durch die Datscha.
    »Alles herkommen! Alles! Sofort!!« Er riß die Fenster auf und schrie über den nächtlichen Hof. »Alles hierherkommen! Ihr Hunde! Ihr Misthaufen! Sofort hierher!«
    In seinem großen Arbeitszimmer sah er mit flackernden Augen auf die Landarbeiter, Mädchen, Köchinnen und Melker. Die Peitsche in seiner Hand wippte … er hatte Lust, sie quer durch alle diese stumpfen Gesichter zu ziehen … immer und immer wieder, bis sie nur noch blutige Streifen waren. Ein Rausch der Zerstörung hatte ihn ergriffen. Man hat meine Svetlana geschlagen, durchbrannte es ihn wie mit tausend Flammen. Man hat sie mißhandelt. Sie weint. Und ihre goldenen Haare sind voll Blut. Ihre herrlichen … Borkins Hand umkrampfte den Peitschenstiel.
    »Wer hat Svetlana geschlagen?« brüllte er auf. Seine Stimme war wie ein Schlag … die Köpfe zuckten herunter. »Wer? Wer?!« schrie er weiter. »Wenn er sich nicht meldet, schlage ich euch alle so lange, bis man euch nicht wiedererkennt.«
    »Es waren Kinder aus dem Dorf, Towaritsch«, sagte die Köchin weinend. »Sie haben Svetlanaschka in der Steppe überfallen. Sie haben die Schafherde weggetrieben, das Zelt zerrissen und gedroht, sie würden wiederkommen!«
    »Welche Jungen?«
    »Wir kennen sie nicht.«
    Borkin verließ das Haus und schwang sich draußen auf sein Pferd. Wie ein Irrer jagte er über die Steppe durch die Nacht, Judomskoje entgegen, dessen Lichterschein man fahl und dünn am Horizont sah.
    Iljitsch Sergejewitsch Konjew saß gerade in einer Ecke seines Wohnzimmers, las die neueste ›Komsolmolza Prawda‹, rauchte ein Pfeifchen mit Machorka und trank ein Gläschen Knollenschnaps, als jemand die Tür auftrat und die Klinke gegen die Wand knallte.
    Aus der Küche hörte er Marussja schreien. »Er hat mich geschlagen! Er hat mich geschlagen!«
    Ehe Konjew begriff, was vorgefallen war, stand Borkin vor ihm, die Peitsche in der Hand.
    »Genosse Borkin«, sagte Konjew verblüfft. Er zuckte zusammen, als die Peitschenschnur vor ihm auf den Tisch knallte und das Glas mit dem Knollenschnaps umwarf.
    »Was geht in deinem Drecksdorf vor?!« brüllte Borkin. »Du sitzt hier und säufst dir das Gehirn aus dem Wasserkopf, während draußen auf der Steppe meine Svetlana

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