Der Himmel über Kasakstan
Weibliche in und an ihr, und es durchrieselte ihn wie Krimsekt, wenn er unbeabsichtigt ihre Hüften berührte oder ihre Brust oder auch nur ihr seidiges Haar, das etwas dunkler geworden war, edel und geheimnisvoll leuchtend wie Rotgold im schrägfallenden Strahl der Abendsonne.
Ich bin ein Narr, sagte sich Iwan Kasiewitsch Borkin, wenn er nach solchen Herzattacken allein in seinem Arbeitszimmer saß, durch die große Glasecke hinausblickte auf die in der Nacht sich wiegenden Wälder seiner Datscha und die Liebespaare aus Judomskoje, die in den Maisfeldern verschwanden wie heiße Füchse.
Ich bin ein alter Narr!
Aber er ging doch auf Zehenspitzen durch den Gang bis zu Svetlanas Zimmertür und legte das Ohr gegen das Schlüsselloch. Wenn er ihren ruhigen Atem hörte und ab und zu ein Knarren des Bettes, wenn sie sich im Schlaf herumwälzte, mußte er sich zwingen, wegzugehen und das Zimmer nicht zu betreten.
Meistens nahm er an solchen Abenden eines der liebestollen Mädchen seiner Datscha zu sich, die er beim Morgengrauen hinauswarf, satt, voller Weltschmerz und gepeinigt von einer fremden Reue, Svetlana betrogen zu haben.
An ihrem 15. Geburtstag lud Iwan Kasiewitsch Borkin das halbe Judomskoje zu sich ein. Es gab ein Kalb, über offenem Feuer am Spieß gebraten, roten Tifliswein, Krimsekt, Wodka aus Swerdlowsk, Gemüse und Trauben vom Schwarzen Meer und Kaviar vom Jenissei. Als besondere Überraschung hatte man weißes Brot gebacken, aus dem man Toast herstellte.
Auch Iljitsch Sergejewitsch Konjew kam. Schon wegen des berühmten Wodkas. Marussja ließ er zu Hause.
»Du bist zu dumm, mit Borkin reden zu können«, schnauzte er sie an. »Es ist ein Fest für Auserwählte.«
Den Erlös einer ganzen Buchauflage hatte Borkin in dieses Geburtstagsfest gelegt. Er hatte neue Kleider aus Alma-Ata kommen lassen. Ein staatliches Versandhaus, die Kataloge, dick wie Telefonbücher, in alle Gegenden Rußlands verschickte bis hinauf in die Einsamkeit des Kap Deschnew, hatte pünktlich ein besonders wertvolles Geschenk abgeliefert: Eine goldene Armbanduhr.
Konjew riß die Augen auf, als er sie in dem seideausgeschlagenen Etui auf dem Tisch liegen sah.
Welcher Reichtum, dachte er neidvoll. Welche Verbindungen. Eigentlich ist durch die Revolution nichts verändert worden. Nur die anderen sitzen jetzt oben! Wir sind geblieben, was wir immer waren: Die ärmsten Hunde der Welt.
»Man müßte Bücher schreiben können und Stalin besingen«, sagte er giftig zu Borkin. »Es bringt doch was ein, wenn man den hohen Herrn den Hintern abputzt.«
Borkin lachte darüber. Er war guter Laune und trank den Sekt wie Wasser. Die Kolchosenkapelle, ein Balalaika- und Schalmai-Orchester spielte einen Tanz. Es saß draußen auf der überdeckten Terrasse. Der ganze Hofraum war zum Tanzplatz geworden. An seiner hinteren Ecke züngelten die Flammen des offenen Feuers und bruzzelte das Kalb an dem dicken, eisernen Spieß.
»Ich habe ein doppeltes Fest, Konjew«, sagte Borkin jovial und schüttete ihm noch ein Glas Wodka ein. »Ich habe in Moskau beantragt, Svetlana adoptieren zu dürfen.«
»Soso«, meinte Konjew gleichgültig.
»Jeden Tag muß der Bescheid eintreffen. Dann stifte ich für Judomskoje 100 Liter Wodka!«
»Schade um den Wodka.« Konjew stellte sein Glas weg. »Der Bescheid ist schon da. Über den Dienstweg ist er gekommen. Zum Genossen Tschetwergow und jetzt zu mir.« Konjew hob die Schultern. »Moskau sagt ›nein ‹ .«
Borkin warf sein Sektglas in eine Ecke des Zimmers. Das Zersplittern des Glases ging in der Musik und dem Gelächter der Burschen und Mädchen unter. Konjew wich zurück.
»Das muß ein Irrtum sein«, sagte Borkin ruhig. Seine Ruhe war gefährlicher, als wenn er gebrüllt hätte. Ein Kessel, dessen Ventil verstopft ist, platzt.
»Moskau irrt sich nie!«
»Was steht in dem Schreiben?!«
»Ich werde es Ihnen morgen zustellen lassen, Genosse Borkin. Ich darf nicht vorher …«
»Was steht darin, du Hund?!« schrie Borkin. Er ergriff Konjew und drückte ihn mit der Faust gegen die Wand. Konjew rang nach Luft.
»Es ist eines Bolschewisten unwürdig, an Kindes Statt den Abkömmling eines reaktionären und feindlichen Staates anzunehmen …« keuchte er.
Borkin ließ ihn los. Konjew sackte zusammen. Er ließ sich in einen der alten Sessel fallen und rieb sich über die Stirn.
»Ich werde sofort an Stalin schreiben«, sagte Borkin.
»Stalin ist seit Tagen schwer erkrankt. Wir wissen es aus einem
Weitere Kostenlose Bücher