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Der Himmel über Kasakstan

Der Himmel über Kasakstan

Titel: Der Himmel über Kasakstan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Genosse? Oder kennen Sie die Höflichkeit etwa gar nicht? Man sollte von einem Distriktsowjet annehmen, daß er …«
    »Schon gut! Schon gut!« Tschetwergow winkte ab. »Das Ganze kommt nur daher, daß dieser Konjew zu mir kam und Sie anzeigte.«
    »Und es ist Ihre Pflicht, dieser Anzeige nachzugehen.«
    »Genau, Genosse Borkin.«
    »Dann sind wir uns also einig?«
    »Wie immer.«
    »Sdrastwujte!« (Guten Tag)
    Die Cholera hole dich, dachte Tschetwergow. Er lächelte dabei. Das hatte er von den Asiaten gelernt, die er mißachtete, bis auf eins, das er an ihnen bewunderte: Ihr Lächeln.
    Auf der großen, breiten Treppe des Parteihauses blieb Erna-Svetlana plötzlich stehen. Sie hatte von dem kurzen, schnellen Gespräch nichts begriffen.
    »Wer war das, djadja?« fragte sie.
    »Ein ängstlicher Wolf.«
    »Gibt es denn so etwas?«
    »Bei den Menschen ja.« Borkin nahm die Hand Svetlanas. »Es gibt nichts zwischen Himmel und Hölle, was ein Mensch nicht sein könnte.«
    *
    Die Fahrt nach Alma-Ata hatte sich gelohnt. Die Jungen von Judomskoje gingen Erna-Svetlana aus dem Weg.
    Drei Jahre lebte sie auf der Datscha, hütete die Schafe, lernte melken und buttern, fuhr mit Borkin über die Felder und sah, wie die deutschen Bauern die riesigen Gebiete der Sowchose ›Roter Oktober‹ fruchtbar machten und bebauten. Borkin nannte ihr Zahlen … sie waren für sie kein Begriff, aber sie waren riesig wie dieses herrliche Land unter dem weiten, blauen Himmel.
    24.000 Obstbäume, 600 Kühe, 150 Pferde, 700 Schweine … allein über ein Gebiet von 450 Hektar war Mais angebaut. Felder, so weit die Augen reichten … Maiskolben neben Maiskolben. Dazwischen lagen die Kolchosendörfer wie winzige Inseln in einem gelben Meer.
    Den Bauern ging es gut. Wenn die Sowchose ›Roter Oktober‹ gute Einnahmen und Ernten hatte, bekamen die Bauern ihren Anteil. Je mehr sie dem Land abrangen, um so stetiger wuchs nach einem genau errechneten Aufteilungsschlüssel ihr Deputat.
    »Sie können zufrieden sein, deine Landsleute«, sagte Borkin einmal zu Svetlana, als sie wieder über die Weiden ritten. Sie konnte jetzt selbst reiten. Grigorij, der erste Knecht, hatte es sie gelehrt. »Der Staat sorgt für sie.« Borkin hielt sein Pferd an und zeigte hinüber zu den in der Sonne leuchtenden Kopftüchern der Frauen, die gebückt über die Felder gingen und Kohlpflanzen verzogen. »Sieh sie dir an, Svetlana. Sie bekommen am Tag, wenn sie fleißig sind, 1 Rubel. Dazu pro Tag 4 kg Kartoffeln, 1 kg Gemüse, 1,5 kg Korn zum Selbstmahlen und Brotbacken, 1,5 kg Viehfutter für die Hühner und Gänse. Sie haben jeder ihre Hütte, die 15.000 Rubel kostet, eine Kuh, die ihnen täglich 6 Liter Milch gibt. Für einen Liter Milch bekommen sie von der staatlichen Milchsammelstelle 1 Rubel und 60 Kopeken. Sie haben ein Kalb, 2 oder 3 Schweine, 3 Bienenkörbe, viele Hühner und müssen von all dem nur 50 Rubel monatlich für die Hirten zahlen, die ihre Kühe von Weide zu Weide treiben. Es ist ein Leben, das sie heute in Deutschland nicht haben! In Deutschland hungert man und sterben die alten Menschen in niedrigen Wellblechhütten.«
    »Ich kenne von Deutschland nur eine kleine Kirche und eine Scheune, wo man meine Mutter zertrat«, sagte Svetlana nachdenklich. Borkin legte den Arm um ihre Schulter.
    »Das solltest du alles vergessen.«
    Svetlana nickte. Aus dem kleinen, schmächtigen Mädchen war in diesen Jahren das Leben hervorgeblüht. Sie war größer und breiter geworden … die schlanken Beine verdickten sich zu sich rundenden Hüften … das Kleid spannte sich über einer spitzen Brust, die fest war und keiner Stütze bedurfte.
    Oft, wenn Erna-Svetlana in dem Teich nahe der Datscha badete, schlich sich Iwan Kasiewitsch Borkin durch die Büsche und sah ihr zu. Der enge Badeanzug, den er ihr aus Alma-Ata mitgebracht hatte, war wie eine zweite Haut und verbarg nichts von der frischen Schönheit. Wie vor Jahrtausenden König David die herrliche Bathseba im Bade belauschte, so hockte auch Borkin hinter Baumstämmen oder lag unter dichten Büschen und war bereit, alles zu töten, was jemals diesen Körper angreifen sollte.
    Die Gutenacht-Küsse, die ihm Svetlana jeden Abend gab, verloren für ihn das Kindliche und regten ihn von Abend zu Abend mehr auf. Er sah ihren weißen Körper durch die dünnen Nachthemden und fühlte die Wärme ihrer Arme, wenn sie sich um seinen Nacken legten, anders, wie man es bei einem Kinde sonst empfindet. Er spürte das beginnende

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