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Der Himmel über Kasakstan

Der Himmel über Kasakstan

Titel: Der Himmel über Kasakstan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Lichtschein bemerkte, der aus der Tür fiel. Es wieherte und stellte sich so, daß Boris den Fuß in den Steigbügel heben konnte. Mit bebender Hand tätschelte er den Hals des Pferdes. Dann schwang er sich in den Sattel und galoppierte hinaus in die Nacht.
    Von der Tür aus, die Petroleumlampe in der Hand, sah ihm Natascha Trimofa nach. Über ihr schmales Gesicht zog ein feines Lächeln.
    »Mach es gut, mein Junge«, sagte sie leise. »Gott wird uns nicht verzeihen … aber der Himmel wird weiter, wenn es keinen Borkin mehr gibt!«

*
    Sussja erhob sich träge. Sie war satt, müde und ausgebrannt. Neben ihr lag Borkin auf dem Rücken und schnarchte leise mit offenem Mund.
    Wie er so dalag, mit zerzausten Haaren, unrasiert, offenem Mund und behaarter, bloßer Brust, sah er nicht schön aus. Sussja fand das auch. Sie stand auf, raffte ihre Sachen, die zerstreut auf dem Boden lagen, zusammen und zog sich leise an.
    Für einen Hungrigen ist eine Scheibe trockenes Brot das Geschenk eines Fürsten. Mich könnte kein Teller voll Braten mehr reizen, so satt bin ich, dachte sie dabei. Der Anblick des erschöpft schlafenden Borkin flößte ihr so etwas wie Ekel ein.
    Leise schlich sie auf nackten Füßen zur Tür, öffnete sie einen Spalt, daß sie hinausschlüpfen konnte, zog sie hinter sich leise wieder zu, jedes Knarren vermeidend. Dann rannte sie auf bloßen Füßen durch das Haus.
    Die Tür zum Herrenhaus ließ sie offen, als sie über den Hof zum Gesindehaus hinüberlief. Wer sollte schon bei Iwan Kasiewitsch einbrechen? Der Dieb würde schlimmer bestraft werden, als habe er einen Mord begangen. Bei dem Hymnendichter Stalins bricht man nicht ein. Das wußte jeder.
    Im Gesindehaus weckte sie Fedja durch das Geräusch der knarrenden Tür. Fedja schlief gleich neben der Eingangstür. Er sah aus seinem Zimmer und rief Sussja zurück, die weitereilen wollte.
    »Na, mein Täubchen?« sagte er. »Genug gegirrt?«
    »Was geht's dich an, du alter Bock?«
    »Es gibt einen alten mongolischen Spruch, mein Kätzchen: Wer zuviel Honig nascht, der bekommt einen sauren Magen! Ha-ha!«
    »Alter Schwätzer!«
    »Schläft der große Genosse noch?«
    »Ja.«
    »Dann wird es ein ruhiger Morgen werden.« Fedja grinste und winkte Sussja zu. »Ab und zu sollte man dir dankbar sein, daß du uns einen guten Vormittag verschaffst.«
    Sussja warf den Kopf in den Nacken und rannte bis ans Ende des Ganges, wo ihre Kammer lag.
    Auch Fedja ging wieder zurück in sein Zimmer, löschte das Licht und rollte sich auf seinen alten Strohsack. »Katze!« murmelte er noch einmal. »Läufige Hündin …«
    Vor dem Eingangstor der Datscha stand Boris und beobachtete das Verlöschen des Lichtes hinter dem Fenster Fedjas. Er hatte sein goldenes Pferd vor dem Tor an einen alten Maulbeerbaum gebunden.
    Die Hunde in dem Zwinger neben der überdachten Terrasse wurden unruhig. Sussja hatten sie vorbeirennen lassen … sie kannten ihren Geruch, sie kannten das Geräusch der klatschenden nackten Füße. Aber sie witterten das Fremde bereits, das draußen vor dem Tor stand. Unruhig rannten sie am Gitter hin und her, mit hängenden Zungen, gespitzten Ohren, starren Augen und halboffenen Fängen. Als Boris näher kam und den Hof der Datscha betrat, begannen sie leise zu knurren. Es hörte sich an wie das Grollen eines fernen Gewitters.
    Von Boris war jegliche Angst abgefallen. Aber auch das klare Denken fehlte ihm. Die Vermischung von Wodka und Rache, von Alkohol und seelischer Qual bildete in ihm einen Stoff, der furchtlos machte, aber auch bedenkenlos. Er hielt ein langes Messer in der rechten Faust, als er weiter in den Hof hineinschritt und in die Witterung der Hunde kam.
    Sie heulten auf, bellten und sprangen gegen die Gitter.
    Fedja, wieder in den ersten Schlaf gefallen, richtete sich auf und stieß das Fenster auf.
    »Titsche!« rief er. (Ruhe!) »Wollt ihr ruhig sein, ihr Saubande?!«
    Boris drückte sich gegen die Hauswand. Im Schatten eines großen Fliederbusches schlich er weiter, erreichte die von Sussja ja unverschlossen gelassene Tür und schlüpfte ins Haus.
    Völlige Dunkelheit umgab ihn. Draußen warfen sich die Bluthunde gegen die Gitter und kreischten vor Wut. Dazwischen dröhnte die Stimme des alten Fedja, der sie Aasgeburten und Teufelsmist nannte, stinkenden Auswurf und verwesten Eselsdreck. Beste mongolische Flüche, wie sie in der Steppe von Jurte zu Jurte fliegen.
    Irgendwo im Haus wurde Licht gemacht. Boris sah einen schwachen Schimmer auf dem

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