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Der Himmel über Kasakstan

Der Himmel über Kasakstan

Titel: Der Himmel über Kasakstan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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gleichgültig.«
    »Der arme Fedja«, ließ sich Konjew vom Fenster her vernehmen. Natascha drehte sich zu ihm herum.
    »Was soll das?«
    »Fedja hat ein gutes Ende verdient.«
    »Dann verschafft es ihm! Oder erwartet ihr wirklich noch Mitleid von mir?«
    *
    Boris und Erna-Svetlana wurden nicht gefunden.
    Tschetwergow ließ die Wälder absuchen. Es war die größte Suche, die Judomskoje je erlebt hatte. Selbst zu den Zeiten Wrangels, als sich weißrussische Kosaken in den dichten Wäldern verborgen hatten und die Roten nachts überfielen, hatte man nicht so systematisch die Gegend durchgekämmt.
    Auch Andreij Boborykin beteiligte sich an der Suche. Als ihm Konjew erzählte, was Natascha Trimofa gelogen hatte, lachte er dröhnend und hielt seine zehn riesigen Finger Iljitsch Sergejewitsch vor die Nase.
    »Alles gesund, Brüderchen!« schrie er vergnügt. »Kein Rißchen im Finger! Wie sie geschwindelt hat, die kleine Kröte.«
    »Ich dachte es mir.« Konjew klopfte Boborykin auf die Schulter. »Du hättest die beiden sofort zu uns gebracht … schon weil es Deutsche sind.«
    »Nawoß!« (Mist!) sagte Boborykin und schloß sich der Suchkolonne wieder an.
    Borkin wurde im Garten seiner Datscha begraben. Nur ein einziger Mensch neben Kerek, der das Grab geschaufelt hatte, stand an der Grube, als der Sarg polternd hineingelassen wurde. Es war Sussja, die mit starrem Gesicht die ersten Schaufeln voll Erde auf den Sargdeckel warf.
    Fedja war in Alma-Ata. Er saß in einer Zelle, bekam morgens um sieben eine Suppe und um acht eine gewaltige Portion Prügel, weil er immer noch behauptete, er habe nur einen Schatten gesehen und könne deshalb nicht der Mörder sein.
    »Wir kriegen dich klein, du Hundebrut!« schrie Tschetwergow. »Es haben schon andere gestanden als du! Wir haben Mittel!«
    »Die habt ihr, Genosse.« Der alte Fedja wiegte den Kopf. »Aber solang ich reden kann, wird kein unwahres Wort aus mir herauskommen.«
    Eine Woche später kamen die Kommissare aus Moskau. Sie konnten nur noch den lang hingestreckten Körper Fedjas besichtigen. Er lag in seiner Zelle, ein Handtuch um den Hals, und seine hervorquellenden Augen starrten an die Decke, als wollten sie sagen: Nanu, was machen sie denn mit mir?
    »Er hat sich selbst gerichtet«, sagte Tschetwergow salbungsvoll. »Als er gestanden hatte, erwürgte er sich mit dem Handtuch. Das Protokoll liegt in meinem Zimmer. Leider konnte es Fedja Petronowitsch nicht mehr unterschreiben … er starb uns unter den Händen weg.«
    Und es fiel auch nicht auf, daß der alte Fedja niemals von sich aus einen so festen Knoten um seinen Hals hätte binden können. Der Gefängnisarzt schwieg. Der Wärter schwieg.
    Es war alles in bester Ordnung.
    Auch Natascha Trimofa schwieg. Der Oberkommissar aus Moskau blätterte in den Akten, als man sie hereinführte. Er sah kurz auf, nickte und legte seine schwarzbehaarte Hand auf die Papiere.
    »Fedja hat gestanden! Und Sie?«
    »Was erwarten Sie von mir?«
    »Nichts. Es genügt, was wir haben! Ab!«
    Zwei Wochen später führte man Natascha Trimofa auf den Hof zum Abtransport in das Straflager Karaganda.
    Sie war nicht allein. Zweihundert Männer und Frauen warteten bereits. Geduckte, ausgemergelte, ängstliche, zusammengeschlagene Gestalten.
    Ein Transport lebender Leichname.
    *
    Für Iljitsch Sergejewitsch Konjew kamen jetzt spannende Wochen.
    Die Datscha wurde von Sussja und Kerek und zwei neuen, entlassenen Sträflingen bewirtschaftet, aber es ging die Rede, daß von Moskau ein neuer Pächter eingewiesen werden sollte.
    »Sie werden uns wieder solch einen ›Helden des Volkes‹ oder wieder einen Dichter schicken«, sagte Konjew zu seiner Frau Marussja. »Einen Idioten, der nichts von der Landwirtschaft versteht, herumreitet, die Weiber belästigt, in den Wäldern jagt, große Bogen spuckt und uns das Leben sauer macht mit seiner Stalintreue. Du wirst sehen, wir werden kein Glück haben mit der Datscha!«
    Über diesen Sorgen vergaß er Boris und Svetlana. Der einzige, der sich noch mit ihnen beschäftigte, war notgedrungen Andreij Boborykin. Er sorgte für sie wie eine Mutter, ging für sie auf die Jagd, kaufte Svetlana in Balchasch neue Kleider und Boris einen Jagdrock und fluchte über diese ›deutsche Invasion‹ nur des nachts, wenn die beiden schliefen.
    Sie lebten inmitten des Sumpfes wie die Biber und Ratten.
    »Kann ich dir nicht helfen, Andreij Andreijewitsch?« fragte Boris nach vier Tagen des Nichtstuns. Sie saßen vor der

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