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Der Himmel über Kasakstan

Der Himmel über Kasakstan

Titel: Der Himmel über Kasakstan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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und Svetlana!«
    »Wenn Sie einmal als Distriktsowjet entlassen werden, könnten Sie in Alma-Ata eine Wahrsagerbude aufmachen, Genosse.«
    »Boris hat Borkin also erschlagen?«
    »Das müssen Sie ihn selbst fragen. Ich bin nur hier, amtlich den Tod festzustellen.«
    »Sie haben den Mörder und das Mädchen in Sicherheit gebracht, Natascha Trimofa! Sie haben gelogen. Sie waren nicht bei Andreij Boborykin. Er hat keinen vergifteten Finger.«
    »Nein? – Warum nicht?«
    »Sie geben also zu –«
    »Ich gebe zu, weggewesen zu sein. Warum haben Sie Fedja als Mörder verhaftet, wenn es Boris gewesen sein soll?«
    »Genossin Trimofa.« Stephan Tschetwergow setzte sich auf die Bettkante. Die Hand Borkins, die herunterhing, wollte er wegschieben, aber sie war steif wie ein Brett und kalt, als habe sie auf Eis gelegen. Tschetwergow rückte ein wenig zur Seite. »Uns nützt kein Mörder, der flüchtig ist. Wenn Moskau erfährt, daß Boris Horn entwischen konnte, wird es Unannehmlichkeiten geben. Ich bitte Sie deshalb, Genossin Trimofa … sagen Sie, wo Sie die beiden hingeführt haben.«
    »Sie haben Angst, Tschetwergow?« Natascha lachte. »Welch ein Anblick! Ich lobe mir das Land, wo die Gewaltigen vor den noch Gewaltigeren zittern können! Manchmal trifft so die Gerechtigkeit wirklich den Richtigen.«
    »Sie sind grausam.«
    »Es ist der Buchstabe G aus dem Lexikon der Diktaturen.«
    »Ich bitte Sie, Genossin!« Tschetwergow biß sich auf die Unterlippe. »Was hätten Sie davon, wenn man Sie nach Karaganda schleppte? Sie wären in einem Monat tot!«
    »Vielleicht schon in drei Tagen? Wer weiß es?! Ich sagte Ihnen doch schon, daß ich bereits gestorben bin. Was hier weiterlebt, ist nur eine mechanische Funktion. Nerven, Blutkreislauf, Muskeln, Zellen, Organe und Hormone verrichten ihre Arbeit – das ist alles. Was erst einen Menschen macht, Genosse Tschetwergow, ist gestorben. Die Seele. Kennen Sie eine Seele?« Natascha Trimofa zeigte auf den toten Borkin. »Dort liegt sie. Er hat sie genommen.«
    »Iwan Kasiewitsch?« Tschetwergow sprang vom Bett hoch. Auch Konjew löste sich von dem Fenster, an dem er gesessen hatte. »Was haben Sie mit Borkin zu tun, Natascha?!«
    »Vor fünf Jahren kam ich nach Undutowa. Ich war vier Tage in meinem Haus, als Borkin erschien. Groß, stolz, lachend, auf seinem Lieblingspferd, kraftstrotzend, welterfahren … ein Mann wie aus einem Bilderbuch der Anatomie: Der ideale Körper! Er kam in mein Haus, setzte sich an den Tisch, zeigte mir seinen Arm und sagte: ›Genossin Trimofa – dort juckt es mich. Sehen Sie einmal nach!‹ – Er hatte nichts am Arm, ich sah es sofort. Ich wollte ihn hinauswerfen, aber ich kannte ja Borkin noch nicht. Als er über mich herfiel, schrie ich. Aber wer hört schon das Schreien in der Einsamkeit des Waldes? Er behandelte mich wie ein Stück Vieh und ließ mich zurück wie ein durchbrochenes Stück Holz. In dieser Stunde habe ich alles verloren, was man Seele nennt.«
    Tschetwergow sah kurz auf das bleiche, zerschlagene Gesicht des Toten. »Und warum haben Sie ihn nicht angezeigt?«
    »Ich habe es dem Provinzarzt in Alma-Ata gemeldet. Ich habe an die Sanitätsbrigaden geschrieben. Ich habe es nach Moskau geschickt. Nach Wochen erhielt ich Antwort. Ich solle ruhig sein, wenn ich in Undutowa bleiben und nicht in den Norden kommen wolle. So etwas vergesse man … es sei menschlich!« Natascha lächelte schwach. Ihr schmales, bleiches Gesicht mit den eng an den Kopf gedrückten Haaren war wie aus einer Ikone geschnitten. »Er war ein mächtiger Mann, der Genosse Borkin. Er aß im Kreml am Tische Stalins. Er erzählte es allen. Ein solcher Mann wird nicht angezeigt von einer kleinen Ärztin.«
    Tschetwergow nickte mehrmals. »Das ist ein Grund, seinen Mörder zu verbergen.«
    »Ich habe Boris angefleht, es zu tun.« Ihre Augen glühten wieder. »Ich hätte mich für diese Tat jedem, der es wagte, hingegeben! Ich lebte nur für diesen einen Tag … hier zu stehen, ihm in das bleiche Gesicht zu sehen und sagen zu können: Ja! Er ist tot!«
    Sie drehte sich zu Borkin um, sah ihn lange an und warf dann den Kopf in den Nacken.
    »Ja – er ist tot!« sagte sie fast feierlich.
    »Wir werden Boris fangen«, sagte Tschetwergow nachdenklich.
    »Nie!«
    »Dann werden wir den armen Idioten Fedja zum Mörder machen. Und auch Sie haben wir. Wir werden Sie zwingen, auszusagen, daß Fedja der Täter ist.«
    »Macht, was Ihr wollt«, sagte Natascha Trimofa. »Mir ist jetzt alles

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