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Der Hinterhalt

Der Hinterhalt

Titel: Der Hinterhalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Trevor Shane
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dich an, während du auf dem Beifahrersitz schliefst, und mir wurde bewusst, dass eine ganze Reihe von Überraschungen bevorstand. Ich überlegte, wie lange es her war, seit ich meine Mutter zuletzt gesehen hatte. Drei Jahre? Fünf Jahre? Wann hatte ich sie zum letzten Mal gesehen? Ich konnte mich nicht mehr erinnern. Dann betrachtete ich das Haus. Ich hatte so viele Erinnerungen an dieses Haus – einige gute, einige schreckliche.
    Ich beugte mich zu dir hinüber und schüttelte dich sanft. »Wir sind da.«
    Du wachtest langsam auf, sahst zum Fenster hinaus und drehtest den Kopf, um dir einen Eindruck von deiner Umgebung zu verschaffen. Alles, was du vom Auto aus sehen konntest, waren Bäume und Wald. »Das ist New Jersey?«
    »Ja«, flüsterte ich und lehnte mich zu dir hinüber, um dich auf die Stirn zu küssen. Ich war glücklich – so glücklich, wie ich es unter den gegebenen Umständen sein konnte. Glücklich, zu Hause zu sein. Glücklich, dich mit nach Hause zu bringen. »Hier gibt’s nicht nur Giftmüllhalden und Highways.«
    »Es ist schön hier«, sagtest du. Du öffnetest die Tür und stiegst aus dem Wagen. Die Luft war frisch, aber trotzdem viel wärmer als in Montreal. Es roch nach Kiefern und verbranntem Holz. Mom hatte im Kamin ein Feuer brennen. Von der Zufahrt aus sah man kein einziges anderes Haus, nur Wald. »Hier bist du aufgewachsen?«
    »Den Großteil meiner Kindheit habe ich hier verbracht, ja. In dieses Haus sind wir gezogen, als Dad starb. Es war so etwas wie unser Versteck. Wahrscheinlich hätten wir umziehen sollen, nachdem sie meine Schwester getötet hatten, aber vermutlich hat sich meine Mom einfach gedacht, scheiß drauf. Wenn sie es auf sie abgesehen hatten, dann sollten sie doch kommen. Sie kamen nie wieder. Mein Freund Jared hat nur zehn Minuten von hier entfernt gewohnt und mein Freund Michael ein paar Orte weiter. Ich habe die beiden kennengelernt, als ich in diesem Haus wohnte, also sind nicht alle meine Erinnerungen daran schlecht. Wo die beiden aufgewachsen sind, ist es ein bisschen zivilisierter.«
    »Und hier haben sie deine Schwester umgebracht?« Ich nickte. Du verschränktest die Arme und riebst sie mit den Händen, um dich aufzuwärmen.
    Ich schlug die Autotür hinter mir zu, wie ich es als Teenager jeden Abend getan hatte, wenn ich nach Hause kam. Das war ein Signal, das meine Mutter und ich vereinbart hatten. Wir machten Lärm, wenn wir nach Hause kamen, weil die anderen niemals laut gewesen wären. Du zucktest zusammen, als ich die Tür zuschlug. Die kühle Nachtluft war so friedlich gewesen. »Entschuldige.«
    »Schon okay«, erwidertest du.
    Nachdem die Tür ins Schloss gefallen war, spähte ich durchs Küchenfenster und wartete ein paar Sekunden lang. Wie aufs Stichwort tauchte das Gesicht meiner Mutter auf. Sie schob den Vorhang zur Seite und blickte zu uns herunter. Sie sah alt aus, alt und müde. Ich winkte ihr zu, als sie nach unten blickte. Als ihr bewusst wurde, wer sie besuchte, strahlte sie übers ganze Gesicht. Dann verschwand sie wieder. Ich wusste, sie sauste gerade wie eine Verrückte durchs Haus, um im letzten Moment noch ein bisschen aufzuräumen, weil sie wollte, dass es einen guten Eindruck auf Gäste machte. Wahrscheinlich waren wir ihre ersten Gäste seit Jahren. »Lass uns reingehen«, sagte ich schließlich zu dir. Du gingst auf dem schmalen, mit Steinplatten gepflasterten Weg in Richtung Eingangstür. »Nicht da entlang!«, rief ich dir hinterher. »Wir gehören zur Familie. Wir gehen zur Seitentür rein.« Ich führte dich zu der Tür auf der Seite des Hauses, durch die man direkt in die Küche gelangte. Du kauertest hinter mir, als ich anklopfte, sodass dich meine Mutter nicht sehen konnte, bis ich die Gelegenheit hatte, euch einander richtig vorzustellen.
    Meine Mutter kam in Windeseile an die Tür, riss sie auf und umarmte mich innig, bevor wir sie überhaupt begrüßen konnten. Nach etwa einer Minute lockerte sie ihre Umarmung schließlich, ohne mich jedoch ganz loszulassen. Während sie mich festhielt, sagte sie: »Das ist eine wunderbare Überraschung. Einfach wunderbar.«
    »Ich freue mich auch, dich zu sehen, Ma«, entgegnete ich, als sie mich schließlich losließ.
    »Und jetzt komm rein, draußen ist es kalt«, befahl meine Mutter. In diesem Moment trat ich zur Seite, damit sie dich sehen konnte. »Und wen haben wir da?«, fragte mich meine Mutter mit einem triumphierenden Lächeln im Gesicht.
    »Mutter«, begann ich die formelle

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