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Der Hinterhalt

Der Hinterhalt

Titel: Der Hinterhalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Trevor Shane
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mir, dass es noch etwas gab, was sie schon die ganze Zeit hatte sagen wollen, etwas, das sie zurückgehalten hatte.
    Ich drehte mich um. Sie saß auf der Couch, die Hände im Schoß gefaltet. Sie wirkte nervös. »Ja, Mom?«, fragte ich.
    »Sie ist schwanger.« Ich weiß nicht, warum sie das wusste. Sie wusste es einfach.
    »Ich weiß, Mom.« Ich blieb einen Moment am Fuß der Treppe stehen und überlegte, ob ich noch etwas sagen sollte. Ich entschied mich dagegen. Dann humpelte ich die Treppe hinauf und ging ins Bett.
    Als ich am nächsten Morgen aufwachte, drang der Geruch von gebratenem Speck aus der Küche. Es fühlte sich an, als sei Samstagmorgen und als sei ich wieder zwölf Jahre alt. Ich kletterte aus dem Bett. Mein Bein fühlte sich besser an. Es tat immer noch weh, aber es fühlte sich besser an. Ich holte die Schmerztabletten aus meiner Tasche und schluckte ein paar davon ohne Wasser. Dann zog ich mich an, um nach unten zu gehen. Auf dem Weg klopfte ich an deine Tür, um herauszufinden, ob du schon wach warst. Da ich nichts hörte, beschloss ich, dich schlafen zu lassen, und ging die Treppe allein hinunter. Die Stufen hinabzusteigen erwies sich als doppelt so schmerzhaft, wie der Weg nach oben gewesen war, doch mir blieb nichts anderes übrig, als die Zähne zusammenzubeißen und es zu ertragen.
    Unten angekommen war ich überrascht, aus der Küche deine Stimme zu hören. Offenbar warst du bereits wach und freundetest dich mit meiner Mutter an. Nachdem meine Mutter wusste, dass du schwanger warst, beunruhigte es mich irgendwie, dass ihr euch näherkamt. Ich weiß nicht, warum. Vermutlich war es ein klassischer Fall von Paranoia. Rückblickend hätte ich mich auf meinen Instinkt verlassen sollen.
    Meine Mutter spannte dich voll ein und ließ dich Pfannkuchenteig anrühren, während sie den Speck in der Bratpfanne mit einer Gabel wendete. Ihr wirktet beide glücklich, sorgenfrei. Ich beschloss, zumindest vorübergehend an dem Spaß teilzuhaben, lächelte und setzte mich an den Küchentisch.
    »Schön zu sehen, dass meine Mom dir bereits beibringt, dich selbst zu domestizieren.«
    »Guten Morgen, Joseph«, sagte meine Mutter zu mir und drehte sich zu mir um. Ich betrachtete dich bei der Arbeit. Das war das erste Mal, dass ich dich in der Küche hantieren sah. Du wirktest gefährlich.
    »Vergiss die Uni, vergiss die Arbeit, alles, was du in dieser Männerwelt können musst, ist Kochen und Putzen, stimmt’s, Ma?« Du warfst mir einen bösen Blick zu. Meine Mutter kam zu mir und schlug mir mit einem Geschirrtuch auf die Schulter. »Wie lang seid ihr beiden denn schon wach?«
    »Ich bin früh aufgestanden und einkaufen gegangen, damit wir was zum Frühstücken haben. Als ich nach Hause kam, war Maria schon wach. Sie war so nett und hat angeboten, mir zu helfen.« Meine Mutter trug eine Schürze. Sie sah aus wie aus einer Backpulver-Reklame aus den Fünfzigerjahren.
    Ich ging an den Herd und nahm mit der Hand ein Stück Speck aus der Bratpfanne, blitzschnell, um mir die Finger nicht an dem kochend heißen Fett zu verbrennen. »Kannst du nicht zehn Minuten warten?«, rief meine Mutter, als ich mir den brutzelnden Speck in den Mund steckte.
    »Ich könnte auch drei Tage warten«, erwiderte ich, »habe aber keine Lust.« Du hattest bislang noch nichts gesagt. »Hat meine Mutter dich gut behandelt?«, fragte ich dich schließlich, nur halb im Spaß.
    »Es war wirklich nett«, sagtest du in viel ernsterem Tonfall, als ich erwartet hätte. Du klangst beinahe traurig. Vielleicht wirst du mir eines Tages erzählen, was dir durch den Kopf ging.
    Wir setzten uns an den Tisch und frühstückten. Einmal mehr aß meine Mutter fast nichts, während du doppelt so viel verschlangst wie ich. Unsere Unterhaltung beim Frühstück wechselte von einem belanglosen Thema zum nächsten, und jeder von uns behielt seine Geheimnisse für sich. In erster Linie sprachen wir über unsere Pläne für den Tag. Ich erzählte meiner Mutter, dass wir ein paar Dinge zu erledigen hatten und dass ich anschließend mit dir hinauf zum Rocky Point wollte, einem Felsgrat oberhalb der Stadt, wo Jared, Michael und ich als Jugendliche regelmäßig gecampt hatten. Du schienst dich aufrichtig darauf zu freuen, einen Teil meiner Vergangenheit mit eigenen Augen zu sehen.
    »Bist du dir sicher, dass das eine gute Idee ist«, warf meine Mutter ein, »im Hinblick auf …« Und dann entstand eine Pause. Diese Pause sprach Bände; sie sagte ziemlich deutlich

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