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Der Hinterhalt

Der Hinterhalt

Titel: Der Hinterhalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Trevor Shane
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letzte Mal hatte ich sie so weinen sehen, nachdem Jessica ermordet worden war.
    »Woher weißt du das?«, fragte ich und versuchte, ruhig zu bleiben.
    »Es steht in ihrem Pass«, erwiderte meine Mutter kühl.
    »Du hast in ihren Sachen herumspioniert?«
    »Ich musste, Joseph. Mir war klar, dass irgendetwas nicht stimmt. Ich habe mich nur um dein Wohl gesorgt. Sie ist erst siebzehn, Joseph. Du weißt, was das bedeutet!«
    »Sprich nicht so laut, Mutter. Sie ist unten.«
    »Sie schläft. Sie schläft auf unserer Couch, Joseph. Sie ist siebzehn, sie ist schwanger, und sie schläft auf unserer Couch!«
    »Ich habe es erst erfahren, als es schon zu spät war, Mom«, sagte ich zu ihr.
    »Du wusstest es?« Der Gesichtsausdruck meiner Mutter wurde hässlich. Ich hatte sie noch nie so gesehen. »Sie ist noch ein Kind, Joseph. Du hast mit diesem armen Kind geschlafen, und jetzt wirst du euer beider Leben ruinieren.«
    »Sie ist nicht mehr Kind, als ich es bin.«
    »Dann seid ihr eben beide Kinder – verwöhnte Kinder, die ihr Leben wegwerfen!«
    »Hör zu, Mutter, ich wusste es nicht«, wiederholte ich.
    »Sie darf dieses Baby nicht bekommen.« Die Worte klangen kalt und verbittert.
    »Sie wird es bekommen.«
    »Du lässt zu, dass sie es bekommt?« Sie rang nach Luft.
    »Wir werden es zusammen bekommen. Das möchten wir beide.« Ich meinte, was ich sagte.
    »Und wie soll das funktionieren? Du kennst doch die Regeln!«
    Ich senkte die Stimme. Ich wollte, dass sie sich beruhigt, und hoffte, dass sie das tun würde, wenn ich ruhig blieb. »Wir hauen ab, Mutter. Deshalb sind wir hierhergekommen. Ich wollte dir die Mutter deines Enkelkinds vorstellen, und dann wollte ich Lebewohl sagen.« Ich hätte am liebsten geheult, aber ich nahm mir fest vor, nicht zu weinen, wenn meine Mutter nicht weinte.
    »Bist du dir sicher, dass du weißt, was du tust, Joseph? Wenn du fliehst …« Sie war nicht in der Lage, den Satz zu vollenden. Ihre Lippen bebten noch immer. »Wenn du fliehst, gibst du alles auf. Du gibst alles auf, wofür dein Vater gekämpft hat, alles, wofür dein Großvater gekämpft hat! Du gibst deine Zukunft auf. Du gibst alles auf, wofür du selbst gekämpft hast!« Ihre Stimme wurde immer lauter, während sie sprach.
    »Und wofür genau kämpfen wir, Mom?«, fragte ich. »Sag es mir.«
    Sie stand fassungslos da. Ich sah ihr in die Augen und erkannte sie nicht mehr.
    »Tut mir leid, Mutter, aber wir haben eine Entscheidung getroffen.« Ich trat an ihr vorbei in den Flur.
    »Ich glaube, du hast das nicht richtig durchdacht, junger Mann«, rief mir meine Mutter hinterher, als ich mich von ihr entfernte. Ich drehte mich noch einmal um und sah sie mit einem Blick an, der ihr sagen sollte, dass ich die Sache sehr wohl durchdacht hatte und sie mich nicht aufhalten konnte. »Dein Vater wäre sehr enttäuscht von dir«, sagte sie, während ich sie anstarrte. Ihre Bemerkung fühlte sich an wie eine Ohrfeige.
    Ich blieb ruhig. Mein Tonfall war sanft. »War schön, dich zu sehen, Mom. Maria und ich werden noch eine Nacht bleiben. Ich lasse dich noch einmal über all das schlafen. Wenn sich deine Meinung bis morgen früh nicht geändert hat, reisen wir ab.« Dann stieg ich die Treppe hinunter. Ich wollte in deiner Nähe sein. Ich hatte plötzlich das Bedürfnis, dich zu beschützen.
    Als du aufwachtest, schlug ich vor, in einem Restaurant zu Abend zu essen. Du wundertest dich, warst aber einverstanden. Ich ließ mir beim Essen viel Zeit. Du hattest großen Appetit. Wie ich gehofft hatte, war meine Mutter bereits in ihrem Schlafzimmer, als wir nach Hause kamen. Sie hatte das Licht ausgeschaltet, doch ich wusste, dass sie nicht schlief.
    Wir gingen nach oben, gaben uns einen Gutenachtkuss, und du gingst zum ehemaligen Zimmer meiner Schwester, um dich schlafen zu legen. »Maria? Tust du mir einen Gefallen?«, fragte ich, als du dich von mir entferntest.
    »Sicher, Joe. Was denn für einen?« Du warst ein bisschen verwirrt.
    »Schließ heute Nacht deine Tür ab.«
    »Warum denn?«, wolltest du wissen.
    »Nur für alle Fälle«, erwiderte ich. »Macht es dir was aus, heute Nacht mit abgesperrter Tür zu schlafen?«
    »Du machst mir Angst, Joe. Stimmt irgendwas nicht?«
    »Maria, bitte. Schließ einfach deine Tür ab. Ich bin sicher, am Morgen ist alles in Ordnung.«
    »Okay«, sagtest du. Du hattest Angst, weitere Fragen zu stellen.
    Ich ging in mein Zimmer und legte mich ins Bett. Eine ganze Weile lag ich einfach nur da. Die Gedanken, die

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