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Der Hinterhalt

Der Hinterhalt

Titel: Der Hinterhalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Trevor Shane
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er im Wald gefunden hatte.
    »Wie lang seid ihr beiden schon zusammen?« Sie versuchte herauszufinden, wie ernst mir die Sache war. Allein die Tatsache, dass ich dich mit nach Hause gebracht hatte, hätte ihr das verraten sollen.
    »Lang genug, um zu wissen, dass ich nie mehr mit jemand anderem zusammen sein möchte.«
    »Aha.« Meine Mutter hielt inne, verblüfft über meine Antwort. Dann setzte sie sich wieder auf die Couch. Ich setzte mich ihr gegenüber. »Und wie lang ist das?« Sie lächelte wieder.
    »Ein paar Monate, aber es kommt mir viel länger vor. Wir haben uns sofort super verstanden.«
    »Sie ist jung, Joe. Sie ist vielleicht zu jung, um eine solche Bindung einzugehen.« Anscheinend versuchte sie, mich vor einer Enttäuschung zu bewahren.
    »In mancher Hinsicht ist sie jung, in anderer nicht. Sie ist klüger als ich. Manchmal kommt es mir so vor, als wäre sie älter als ich.«
    »Wie alt ist sie denn?«
    »Sie studiert im zweiten Jahr an der Uni, Mom. Das ist nicht so jung.« Ich bediente mich derselben Halbwahrheit, die du mir gegenüber benutzt hattest. Meine Mutter hatte mich in die Defensive gedrängt. Irgendetwas erschien mir verkehrt.
    »Ist sie eine von uns?« Endlich stellte sie die Frage, die ihr von dem Moment an, als sie dich zum ersten Mal erblickt hatte, unter den Nägeln gebrannt haben musste.
    »Nein, Mom. Das ist sie nicht. Sie ist ein ganz normaler Mensch. Sie ist keine von uns. Und sie ist keine von den anderen.«
    »Weiß sie Bescheid?« Meine Mutter meinte den Krieg, obwohl sie das Wort nie in den Mund nahm.
    »Ja.«
    »Dann hast du ihr es also erzählt?« Meine Mutter starrte eine Zeit lang durchs Fenster in die dunkle Nacht hinaus. Auch auf diese Frage erwartete sie keine Antwort. »Nun, dann gibt es wohl kein Zurück mehr, oder?«
    »Ich habe doch gesagt, Mom, dass sie die Richtige ist. Selbst wenn es ein Zurück gäbe, käme das für mich nicht in Frage.« Ich wollte, dass sie sich für mich freute.
    »Es ist ein hartes Leben, in das du sie da hineinziehst, Joe«, sagte sie. Meine Mutter wirkte traurig. Sie war der lebende Beweis dafür, wie hart dieses Leben sein konnte. Ich nehme an, sie dachte an meinen Vater, an meine Schwester, an ihre Eltern. Sie alle waren viel zu früh eines gewaltsamen Todes gestorben und hatten meine Mutter zurückgelassen, die sich in einem kleinen Haus am Ende der Welt versteckte und allein alt wurde.
    »Hättest du irgendwas aufgegeben, Mom?«, fragte ich.
    »Wie meinst du das?«
    »Hättest du dein Leben gegen ein gewöhnliches Leben eingetauscht, wenn du gewusst hättest, dass du Dad niemals kennengelernt hättest, Jessica niemals gekannt hättest, mich nie bekommen hättest?«
    Meine Mutter wirkte entsetzt, dass ich die Frage überhaupt gestellt hatte. »Selbstverständlich nicht.« In ihre Stimme kehrte etwas Kraft zurück. »Es ist ein hartes Leben, sicher, aber für uns ist es ganz normal und die Opfer wert. Das weißt du doch.«
    »Nun, dann freu dich doch für mich, Mom.« Ich stand auf, ging zu ihr hinüber, setzte mich neben sie auf die Couch und legte ihr den Arm um die Schultern. »Die Welt ist nicht perfekt, Ma, aber sie ist besser für mich, wenn Maria bei mir ist.«
    »Dann freue ich mich für dich«, sagte meine Mutter. Ich merkte, dass Wahrheit in dem steckte, was sie sagte, doch es war nicht die ganze Wahrheit. »Ich mache mir einfach Sorgen um sie.«
    »Ich denke, sie weiß, worauf sie sich einlässt, Mom.« Ich glaubte meine Worte nicht einmal selbst, als ich sie aussprach.
    »Das wollen wir hoffen«, erwiderte sie. Dann drehte sie sich zu mir, und ihre Augen glänzten, als kämpfe sie mit den Tränen. Sie umarmte mich noch einmal. Die Umarmung an der Tür war für die Vergangenheit gewesen, diese war für die Zukunft.
    »Hör mal, Mom«, sagte ich schließlich und löste mich aus ihrer Umarmung. »Ich möchte Maria morgen ein paar Sachen zeigen und mit ihr vielleicht rauf zum Rocky Point. Außerdem brauche ich ein bisschen Schlaf. Ich bin völlig erledigt.« Ich stand auf und humpelte in Richtung Treppe. Mein Bein pochte.
    »In Ordnung, Joe«, erwiderte meine Mutter. Sie stellte keine näheren Fragen, was meine Verletzung anbelangte, da sie wusste, dass sie mich nicht nach Details zu meinem Job fragen durfte. »Gute Nacht«, sagte sie, ohne sich von der Stelle zu rühren, während ich langsam zur Treppe ging. Als ich gerade einen Fuß auf die unterste Stufe setzen wollte, rief sie mir hinterher: »Joseph?« Ihr Tonfall verriet

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