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Der Hinterhalt

Der Hinterhalt

Titel: Der Hinterhalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Trevor Shane
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»Marias Zustand«. Schließlich vollendete meine Mutter jedoch ihren Satz, indem sie sagte: »Im Hinblick auf dein Bein.«
    »Das kriegen wir schon hin, Ma«, entgegnete ich. »Die frische Luft und ein bisschen Bewegung werden uns beiden guttun.« Ich legte meine Hand auf dem Tisch auf deine. Es fühlte sich gut an, dich zu berühren.
    Kurz nachdem wir aufgegessen hatten, stiegen wir ins Auto und fuhren in die Stadt. Unsere Sachen ließen wir im ersten Stock, da wir wussten, dass wir in ein paar Stunden zurück sein würden. Meine Mutter blieb allein zu Hause.
    Als Erstes mussten wir uns mit Vorräten eindecken, da wir New Jersey bald verlassen würden. Wir hielten bei einer Bank, und ich hob am Geldautomaten vierhundert Dollar ab, den Maximalbetrag, den ich pro Tag abheben konnte. Bei dem Konto handelte es sich um mein Spesenkonto. Ich war im Besitz der Bankkarte und der Geheimnummer, hatte aber ansonsten keinen Zugriff auf das Konto, da es von unserer Zentrale kontrolliert wurde. Wann immer ich Geld abheben wollte, konnte ich Geld abheben. Wir waren allerdings angehalten, keinen verschwenderischen Lebenswandel zu führen. Falls wir das doch taten, wurde uns der Geldhahn abgedreht. Mehr wusste ich nicht. Neben meiner Bankkarte besaß ich noch fünf verschiedene Kreditkarten, von denen jede auf einen anderen Namen ausgestellt war. Ich bekam nie auch nur eine einzige Kreditkartenabrechnung zu Gesicht. Diese gingen direkt an die Zentrale. Auch bei der Verwendung der Kreditkarten hatte ich nie ein Problem gehabt. Die Regeln waren dieselben wie bei der Bankkarte: Erledige deine Arbeit und halte dich zurück. Wir konnten nicht leben wie James Bond, das hatte Allen deutlich gemacht, aber wir brauchten uns nie Sorgen ums Geld zu machen. Das war etwas, das ich immer als Selbstverständlichkeit betrachtet hatte, das sich jedoch bald ändern würde. Mein Plan war, alle drei Tage vierhundert Dollar abzuheben, bis wir sechzehnhundert Dollar in bar hatten. Zum Kauf der Vorräte, die wir auf der Flucht benötigten, würde ich die Kreditkarten verwenden. Ich hoffte, die Ausgaben würden keine Alarmglocken läuten lassen. Schließlich befand ich mich offiziell im Urlaub. Nach zwei Wochen würden wir alles wegwerfen, alles hinter uns lassen. Dann würde die Trittbrettfahrt ein Ende haben, denn solange wir ihre Bankkarte und ihre Kreditkarte benutzten, wussten sie, wo wir uns aufhielten. Solange wir ihr Geld ausgaben, waren wir nicht frei.
    Nachdem wir bei der Bank gehalten hatten, fuhren wir zum Supermarkt. Wir kauften ein, als wollten wir campen gehen: keine leicht verderblichen Waren; vieles, was sich leicht zubereiten ließ; vieles, was man ungekocht verzehren konnte; jede Menge Mineralwasser. Wir kauften Müsliriegel, Trockenfleisch, japanische Ramen-Nudeln. Außerdem kauften wir genug pränatale Vitamine, um für die gesamte Dauer deiner Schwangerschaft versorgt zu sein. Jetzt war der richtige Zeitpunkt zum Geldausgeben.
    Wir luden den Kofferraum mit unseren Einkäufen aus dem Supermarkt fast ganz voll. Dann fuhren wir über den Highway zu einem Laden für Campingbedarf und kauften zwei Schlafsäcke, zwei Taschenlampen, ein Erste-Hilfe-Set und ein Zelt.
    Das Einkaufen nahm den restlichen Vormittag und einen Teil des Nachmittags in Anspruch. Trotzdem wollte ich dir noch ein paar Sachen zeigen, bevor wir weiterfuhren, damit du sehen konntest, wie meine Welt ausgesehen hatte, als ich noch unschuldig war. Ich wollte dir meine beste Seite zeigen. Ich parkte unseren Mietwagen am Ende einer Sackgasse. Wir gingen durch den Garten eines alten Hauses und marschierten eine Weile durch den Wald. Ich vergewisserte mich immer wieder, dass du keine Probleme beim Gehen hattest, doch schnell stellte sich heraus, dass uns mein Bein mehr aufhielt als deine Schwangerschaft. Du strotztest vor Energie. Wir überquerten einen kleinen Bach und gingen langsam bergauf. Nichts hatte sich verändert. Es schien, als wäre im Wald die Zeit stehen geblieben. Ich hatte mich verändert. Meine Welt hatte sich verändert. Der Wald war noch derselbe. Als wir tiefer in den Wald vordrangen, wurden die Bäume und der Abstand zwischen ihnen größer. Trotzdem fand nur hin und wieder ein Sonnenstrahl den Weg durch den Baldachin aus Baumkronen. »Es ist wunderschön hier«, sagtest du, als wir den immer steiler werdenden Hang erklommen.
    »Du hast noch längst nicht alles gesehen«, erwiderte ich. Mein Bein pochte bei jedem Schritt, doch unser Ausflug war den Schmerz

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