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Der Hinterhalt

Der Hinterhalt

Titel: Der Hinterhalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Trevor Shane
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mir durch den Kopf gingen, waren zusammenhangslos. Ich hörte immer wieder Stimmen. Und was hast du dann vor? Du kennst die Regeln, junger Mann! Entweder sind die anderen böse oder wir. Aber wofür kämpfst du? Ich bin schwanger, Joe. Für wen hältst du dich, verdammt? Hältst du dich etwa für was Beson deres? Du bist ein Niemand. Sie wussten es. Sie darf dieses Baby nicht bekommen. Gute Menschen und schlechte Menschen. Polizisten und Verbrecher. Cowboys und Indianer. Das sind alles Kinderspiele, Joe. Ich wurde hierhergeschickt, um dich zu töten. Sie haben meine Tochter ermordet, Joe. Sie ha ben meine Frau und meine Tochter ermordet. Dein Vater wäre sehr enttäuscht von dir. Ich habe mich nicht darauf vorbereitet zu kämpfen, Joe. Ich habe mich darauf vorbereitet zu sterben. Sie ist siebzehn, Joe. Ich bin siebzehn. Dann unterbrach etwas die Stimmen. Ich hörte jemanden weinen. Zunächst glaubte ich, es handle sich nur um ein weiteres Geräusch, das in meinem Kopf gefangen war. Nur um eine weitere Stimme, bei der ich nicht verstand, was sie sagte. Doch als das Weinen anhielt, kam ich langsam wieder zu Bewusstsein. Es weinte tatsächlich jemand. Und zwar nicht in meinem Kopf, sondern in der Realität.
    Ich sprang aus dem Bett und eilte zur Tür. Mein erster Gedanke war, dass meine Mutter zu dir ins Zimmer gegangen war und dir irgendetwas angetan hatte. Ich konnte mir allerdings nicht vorstellen, was sie dir angetan haben könnte. Ich dachte mir, dass sie dich womöglich geweckt hatte. Vielleicht hatte sie dich geweckt, um dir einen Vortrag zu halten, dass du mein Leben ruinieren würdest. Ich bedauerte, dir nicht alles erzählt zu haben. Ich hätte dir sagen sollen, was meine Mutter wusste und wie sie reagiert hatte.
    Als ich aus meinem Zimmer trat, sah ich, dass deine Tür geschlossen war. Das Licht in deinem Zimmer war ebenfalls aus. Das Schluchzen kam aus dem Erdgeschoss. Ich erkannte am Tonfall, dass es meine Mutter war, die weinte, und hoffte wider alle Hoffnung, dass sie meine Entscheidung doch akzeptiert hatte – dass sie weinte, weil sie wusste, sie würde mich nie wiedersehen.
    Im Wohnzimmer brannten sämtliche Lichter. Ich ging die Treppe hinunter. Meine Mutter saß schluchzend auf der Couch, das schnurlose Telefon auf dem Schoß.
    »Was ist los, Mom?«, fragte ich sie. Ich hätte mit dem Schlimmsten gerechnet, wenn ich mir hätte vorstellen können, was das Schlimmste war.
    Meine Mutter schüttelte einfach nur den Kopf, anstatt zu antworten. Sie bekam zwischen ihren Schluchzern nicht genug Luft zum Sprechen.
    »Was ist passiert, Mutter?«
    Schließlich ließ das Schluchzen nach, und sie war in der Lage zu sprechen. »Es tut mir leid, Joseph.« Mehr bekam sie nicht heraus, ehe erneut heftiges Schluchzen einsetzte.
    »Was tut dir leid, Ma?« Mein Blick wanderte zwischen den verweinten Augen meiner Mutter und dem Telefon in ihrer Hand hin und her. »Was hast du getan? Bitte sag mir, was du getan hast.«
    Sie hörte auf zu weinen. Es war, als stecke plötzlich ein völlig anderer Mensch in ihrem Körper.
    »Ich habe getan, was ich tun musste, Joseph«, sagte sie und gab sich Mühe, ihre Stimme so stark wie möglich klingen zu lassen.
    »Was hast du getan, Ma?«, fragte ich erneut, dieses Mal flehend.
    »Ich habe es ihnen gesagt, Joseph.« Sie hielt das Telefon in ihrer Hand hoch. »Ich habe getan, was du längst hättest tun sollen. Ich habe getan, wofür du zu schwach warst. Ich habe es ihnen gesagt. Ich habe getan, was ich tun musste.«
    »Ist dir klar, was das bedeutet, Mom?«, schrie ich sie an. Sie drehte einfach den Kopf und wandte den Blick ab. »Sie werden versuchen, mich aufzuspüren! Sie werden versuchen, mich und Maria und unser Kind aufzuspüren!«
    »Ich habe nur getan, was ich tun musste, Joseph«, sagte sie noch einmal, ohne mich dabei anzusehen.
    »Du hast getan, was du tun musstest? Dieses Kind ist dein Enkelkind!«
    »Sag so was nicht!«, schrie sie zurück und hob einen Finger, sträubte sich aber noch immer dagegen, mir in die Augen zu sehen.
    »Dieses Kind ist dein Enkelkind!«, wiederholte ich lauter, damit die Worte auch noch lange, nachdem wir weg waren, in ihren Ohren nachhallen würden. »Dein Enkelkind!«
    Schließlich drehte sie den Kopf und sah mich mit großen, geröteten Augen an. »Nein, das ist nicht mein Enkelkind. Dieses Kind ist ein Kind von ihnen! « Ich sah meiner Mutter in die Augen. Die Frau, die ich kannte, war verschwunden.
    Ich hatte bereits genug Zeit

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