Der Hinterhalt
müssen wir es eben früher tun.« Du nicktest. Du wirktest stark, viel stärker, als ich mich fühlte. Doch hier waren wir, auf dem leeren Highway, und niemand sagte uns, wohin wir fahren mussten, niemand sagte mir, wen ich zu eliminieren hatte. Wir waren frei, sofern es uns gelang, nicht getötet zu werden. »Das ist die Route Eighty«, erklärte ich dir, während wir fuhren und auf den Highway vor uns blickten. »Sie beginnt in New Jersey, unmittelbar nach der George Washington Bridge, die nach New York führt«, fuhr ich fort.
»Ich kenne die George Washington Bridge. Ich bin Kanadierin, nicht zurückgeblieben«, erwidertest du.
»Okay, Hinweis vermerkt. Auf jeden Fall führt diese Straße von der George Washington Bridge bis zur Golden Gate Bridge. Von New York bis nach San Francisco, quer durchs Land. Und heute Nacht gehört sie uns.« Du legtest deine Hand auf meine Hand, die noch immer auf deinem Bein lag.
»Und wohin fahren wir?«
»Ich dachte an Chicago.« Wenn wir in einem Stück durchfuhren, konnten wir es in etwa zwölf Stunden bis nach Chicago schaffen. Wir konnten morgen Nachmittag dort sein. Ich war allerdings der Meinung, dass wir uns nicht sofort in eine Stadt begeben sollten. Der Anruf meiner Mutter würde die Alarmglocken läuten lassen. Und am ersten Tag, nachdem die Alarmglocken geläutet hatten, würde die Lage ziemlich brenzlig sein. Man würde intensiv nach uns Ausschau halten. Im Lauf der Zeit würden sich jedoch andere Dinge ereignen, und wir würden zurückgestellt werden, zumindest von denjenigen, die kein persönliches Interesse daran hatten, uns dingfest zu machen.
»Warum Chicago?«
»Keine Ahnung.« Ich zuckte mit den Schultern. »Ich war noch nie in Chicago.« Das stimmte zwar, war aber nur einer der Gründe, weshalb ich mich für Chicago entschieden hatte. Der wirkliche Grund war, dass ich in Chicago noch nie einen Job erledigt hatte.
»Dann also Chicago«, entgegnetest du.
»Chicago«, wiederholte ich und nickte. Das hörte sich gut an. »Ich meine, wir sollten heute Nacht noch ein paar Stunden schlafen. Ich werde noch zwei Stunden weiterfahren, ein gutes Stück nach Pennsylvania hinein. Vielleicht finden wir dort eine geeignete Stelle, um uns bis zum Morgen auszuruhen. Bis dahin kannst du schlafen, während ich fahre.«
»Ich glaube nicht, dass ich das kann, Joe«, sagtest du. »Nicht heute Nacht.« Offenbar wirktest du auch stärker, als du dich selbst fühltest.
Wir fuhren weiter, kamen am Delaware Water Gap vorbei und erreichten Pennsylvania. Als wir das Durchbruchstal passierten, erinnerte ich mich daran, dass mein Großvater mich als Kind öfter hierher mitgenommen hatte. Wir brachen immer sonntags am frühen Morgen vor Sonnenaufgang auf, um ins Tal hinunterzugehen und die Brieftauben fliegen zu lassen, die er als Haustiere hielt. Auf der Fahrt gurrten die Tauben in ihren Käfigen hinten im Kombi meines Großvaters. Wir fuhren zum Fluss hinunter, stiegen aus, und mein Großvater lud die Käfige aus seinem Kombi. Dann setzten wir uns hin und warteten eine Zeit lang, während die Tauben aufgeregt raschelten. Sie kannten die Prozedur und wussten, dass sie bald frei sein würden, frei, um davonzufliegen. Mein Großvater war ein ziemlich stoischer Typ. Ich kann mich nicht mehr erinnern, wie seine Stimme klang. Ich kann mich nicht einmal mehr daran erinnern, dass er überhaupt jemals etwas sagte. Ich erinnere mich jedoch daran, dass wir in das Durchbruchstal fuhren, um seine Tauben fliegen zu lassen.
Bald fingen die Käfige an zu wackeln, als seien sie lebendig. Mein Großvater wartete immer, bis die Aufregung der Tauben ihren Höhepunkt erreichte, bevor er die Türen ihrer Käfige öffnete. Je aufgeregter sie waren, desto schneller flogen sie. Wenn der richtige Zeitpunkt gekommen war, öffneten wir die Türen, und die Tauben flatterten heraus und erhoben sich sofort in die Lüfte. Sie flogen in der Gruppe einen riesigen Bogen und schraubten sich in den Himmel, um sich zurechtzufinden. Sie schossen in die Höhe, bis sie nur noch winzige Flecken am frühmorgendlichen Himmel waren. All das geschah in Sekundenschnelle, dann waren sie verschwunden. Wenn wir keine Taube mehr sahen, luden wir die Käfige wieder in den Kombi. Mein Großvater kletterte auf den Fahrersitz und fuhr zurück auf den Highway. Auf der Heimfahrt hielten wir zum Frühstücken an, und ich schlug mir den Bauch mit Pfannkuchen und Speck voll, wobei ich alles auf meinem Teller mit Sirup übergoss. Mein
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