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Der Hinterhalt

Der Hinterhalt

Titel: Der Hinterhalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Trevor Shane
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kippte er leblos nach vorn in den Schlamm. Es tat mir sofort leid. Zum ersten Mal, seit ich mich erinnern konnte, hatte ich Gewissensbisse.
    Du schriest. Dann ranntest du in die Dunkelheit davon. Du kamst gute fünf Meter weit, ehe du zu Boden fielst. Ich hörte Würgelaute aus der Dunkelheit, als du dich in den Matsch übergabst, und ging dir hinterher. Nachdem ich aus dem Lichtkegel getreten war, erschien die Dunkelheit, die uns umgab, nicht mehr so allumfassend. Ich konnte zumindest schemenhaft Umrisse, Formen und Schatten erkennen. Und ich sah dich, wie du gebeugt am Boden knietest. Als ich mich dir näherte, standest du plötzlich auf und drehtest dich um. Du strecktest die Arme in meine Richtung aus. Zuerst glaubte ich, du würdest mich umarmen wollen, doch dann wurde mir bewusst, dass du die Pistole des Jugendlichen gefunden hattest.
    Du hieltst die Pistole vor dir und zieltest genau auf meine Brust. Ich blieb stehen, da ich es nicht wagte, mich dir weiter zu nähern. Ich war mir nicht sicher, wozu du in diesem Moment imstande gewesen wärst. Du weintest noch immer und wolltest mich nicht in deiner Nähe haben. »Warum hast du das getan, Joe?«, riefst du. Dein Haar, das der Regen geglättet hatte, hing dir über die Schultern, und deine nasse Kleidung klebte dir am Körper.
    »Ich musste, Maria … Ich weiß, dass du denkst, ich hätte eine andere Wahl gehabt, aber ich hatte keine. Er ist nur die Spitze des Eisbergs, Maria. Wenn wir ihn hätten gehen lassen, hätte er allen gesagt, wo wir sind. Er hätte allen gesagt, wo wir sind, und das wär’s gewesen. Wir hätten in der Falle gesessen.«
    Du hast meine Logik nicht verstanden. Töten ergab für dich noch immer keinen Sinn. »Du hast mir versprochen, dass du niemanden mehr töten würdest, Joe.« Das hatte ich. Und ich hatte es so gemeint, als ich es sagte. Das war vier Leichen zuvor gewesen.
    »Ich wollte ihn nicht töten, Maria.« Ich ging einen weiteren Schritt auf dich zu.
    »Bleib stehen, Joe.« Du hobst die Pistole an, sodass die Mündung nicht mehr auf meine Brust, sondern auf meinen Kopf zielte. »Komm mir nicht zu nahe, Joe.«
    »Bitte, Maria. Bitte setz dich wieder ins Auto. Du bist völlig durchnässt. Du frierst. Du musst dir was Trockenes anziehen. Wir müssen dich aufwärmen. Das ist nicht gut für das Baby.«
    »Bleib stehen, Joe.«
    »Maria, bitte. Komm jetzt her. Wärm dich auf. Zieh dir was Trockenes an. Wenn du mich morgen früh verlassen möchtest, bringe ich dich, wohin du willst.« Du hast widerwillig den Arm sinken lassen, kamst aber nicht zu mir her, sondern gingst an mir vorbei zum Auto. Ich folgte dir mit ein paar Schritten Abstand. Bevor du auf den Rücksitz klettertest, warfst du einen letzten Blick auf den Jugendlichen, der ausgestreckt und mit dem Gesicht nach unten im Matsch lag. Dann schleudertest du seine Pistole wieder in die Dunkelheit.
    Ich ging zurück zu dem leblosen Körper, hob ihn auf und trug ihn zu seinem Wagen. Ich öffnete die hintere Tür und legte ihn auf den Rücksitz. Dann zog ich meine Jacke und mein T-Shirt aus und wischte ihm mit dem T-Shirt den Schlamm aus dem Gesicht. Die Kugel war seitlich in seinen Kopf eingedrungen und auf der anderen Seite wieder ausgetreten. Sein Gesicht war unversehrt. Nachdem ich den Schmutz abgewischt hatte, griff ich zum Armaturenbrett und schaltete den noch funktionierenden Scheinwerfer aus. Ich zog meine Jacke wieder an und ließ das T-Shirt im Matsch neben dem Auto liegen. »Tut mir leid, Kleiner«, sagte ich zu seinem leblosen Körper. »Das mit deinem Bruder tut mir auch leid.« Dann machte ich die Autotür zu, ließ den Leichnam vor dem Regen geschützt auf dem Rücksitz liegen und ging zurück zu unserem Wagen. Auf dem Weg dorthin sammelte ich die am Boden verstreuten Seiten und Fotos auf. Den Rucksack ließ ich liegen. Das Geld ebenfalls. Es kam mir einfach nicht richtig vor, es an mich zu nehmen, obwohl wir es gut hätten gebrauchen können. Ich ließ alles zurück, was uns nicht belasten konnte. Die Seiten und die Fotos warf ich in unseren verbeulten Kofferraum, da ich keine Beweisstücke im Schlamm liegen lassen wollte. Der Schaden an unserem Auto war kaum der Rede wert und würde keinen Verdacht erregen. Sie besaßen allerdings Fotos von unserem Wagen. Wir würden ihn bald austauschen müssen.
    Du hast drei Tage lang kein Wort mit mir geredet, bliebst aber trotzdem bei mir.

VIERZEHNTES KAPITEL
    Am Tag nachdem ich den Jugendlichen in Ohio getötet hatte, schafften

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