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Der Hinterhalt

Der Hinterhalt

Titel: Der Hinterhalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Trevor Shane
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bist du zurückgekommen, um mir zu helfen?«
    »Weil ich bescheuert bin. Ich bin ein bescheuerter Typ, der sich gerne prügelt.« Michael lachte ins Telefon.
    »Im Ernst. Warum bist du zurückgekommen, um mir zu helfen?«
    »Wir haben alle unsere Gründe, Joe.«
    »Was soll das heißen?«, fragte ich.
    »Wir haben alle unsere Gründe, warum wir kämpfen. Ich kämpfe für euch. Ich kämpfe für meine Freunde.«
    »Schaust du denn nie über den Tellerrand hinaus?«
    »Natürlich tue ich das«, erwiderte Michael, »aber solange ihr an meiner Seite kämpft, ist das alles zweitrangig. Du und Jared, ihr habt mich gerettet, als ich jung war. Ich bin euch beiden was schuldig.«
    »Tja, wenn du mir tatsächlich was schuldig gewesen sein solltest, ist die Schuld beglichen.«
    »Nein, das ist eine Schuld, die ich nie begleichen kann, Kumpel. Du brauchst kein schlechtes Gewissen zu haben, Joe. Du hast das Richtige getan.«
    »Ich glaube langsam, dass ›das Richtige‹ manchmal idiotisch ist.« In unserem Gespräch entstand eine unangenehme Pause. Michael sagte nichts, doch sein Schweigen verriet mir alles, was ich wissen musste: Er stimmte mir zu. »Dann geht’s dir also wieder so einigermaßen?«, fragte ich, um das Schweigen zu brechen.
    »Mir geht’s gut. Besser als gut. Ich bin fast schon wieder auf hundert Prozent. Mir wird eine fiese Narbe bleiben, aber wie sagt man so schön? ›Schmerz geht vorüber. Mädels mögen Narben. Ruhm hält ewig.‹«
    Ich schüttelte ungläubig den Kopf. » Man sagt das nicht, Michael. Keanu Reeves sagt das in Helden aus der zweiten Reihe . Und dieser Film war beschissen. Du bist dir darüber im Klaren, dass du deinen Lebensunterhalt damit verdienst, Leute umzubringen, oder, Michael?«
    »Ja, und?«
    »Vielleicht solltest du dir ein paar eigene Sprüche einfallen lassen.«
    Michael lachte. »Ich werde dran arbeiten. Das nächste Mal schaffen wir es wirklich nach Saint Martin«, sagte Michael. »Wir suchen uns ein paar hübsche Mädels und haben die beste Zeit unseres Lebens.«
    »Ich bin dabei«, entgegnete ich. »Ich möchte nur, dass du weißt, Michael, wenn ich noch mal in dieser Situation sein sollte, werde ich dich nicht im Stich lassen.« In diesem Moment schwor ich mir, dass ich nie wieder jemanden im Stich lassen würde, der mir am Herzen liegt. Das ist ein Versprechen, Maria.
    »Ich weiß.« Michaels Tonfall war ernst, doch nur für einen kurzen Augenblick. »Jared wird allerdings genervt sein. Jetzt muss er sich mit zwei Idioten rumschlagen, anstatt nur mit mir. So, und jetzt muss ich Schluss machen. Wir sprechen uns bald wieder. Pass auf dich auf, Joe.«
    »Du auch«, erwiderte ich. Dann legte ich auf. Zwei Wochen später saß ich in einer Maschine nach Montreal. Aus Saint Martin wurde nie etwas. Michael habe ich seit unserem Telefonat nicht mehr gesehen oder gesprochen. Langsam zweifle ich daran, ob ich ihn jemals wieder sehen oder sprechen werde.

SIEBTES KAPITEL
    Es war noch früh am Tag, als ich in Montreal landete. Wie angewiesen nahm ich ein Taxi zu einer kleinen Spielhalle in der St. Catherine Street. Dort sollte ich die Schlüssel zu dem sicheren Haus abholen. Der Name der Spielhalle, Casino Royale, blinkte in grellen Neonlampen über der Eingangstür. Ich ging hinein und marschierte geradewegs in den hinteren Teil der Spielhalle, vorbei an zahlreichen Jugendlichen in Baggy-Jeans, an dem Geläute, dem Gepfeife und dem Geräusch künstlichen Gewehrfeuers. Ich steuerte auf die Theke zu, wo ein paar Angestellte im Teenageralter Münzen austeilten, damit andere Jugendliche ihr Taschengeld in den Spielautomaten versenken konnten. Ich sagte dem Mädchen, das hinter der Theke arbeitete, dass ich da sei, um die Schlüssel zu einer Wohnung abzuholen, und sie händigte sie mir wortlos aus. Die sichere Unterkunft würde für die Dauer meines Aufenthalts leer sein. Mein Auftrag war offenbar so gefährlich, dass er ein zu großes Risiko für das Leben anderer bedeutete. Wenn meine Tarnung aufflog, war ich ein toter Mann, doch das würde keine allzu großen Wellen schlagen. Ich ging die zwei Meilen von der Spielhalle zu dem sicheren Haus zu Fuß, eine lange, mit Steinen übersäte Straße hinauf.
    Bei der sicheren Unterkunft handelte es sich um ein kleines, karges Appartement mit Balkon und Blick auf die Straße. Da ich Hunger hatte, überprüfte ich den Inhalt des Kühlschranks. Ich entdeckte etwas Limonade, ein Stück Käse und die Überreste eines chinesischen Gerichts. Im

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