Der Hinterhalt
zog die Knie eng an die Brust, legte die Arme um meine angewinkelten Beine und wartete. Da ich mich nah am Haus befand, würden die Überwachungskameras meine Körperwärme nicht registrieren. Seit meiner Ankunft beim Haus waren etwa anderthalb Stunden vergangen. Ich würde noch weitere zweieinhalb Stunden zusammengekauert in der Ecke der Veranda sitzen müssen, bevor ich mich wieder in Bewegung setzen konnte.
Zweieinhalb Stunden. Während dieser zweieinhalb Stunden führte ich jede Bewegung so langsam und bedächtig wie möglich aus. Ich trank ein paar Schlucke Mineralwasser, aß einen Energieriegel und wartete. Mein Job schien schon immer zu achtzig Prozent aus Warten bestanden zu haben – Warten auf Flugzeuge, Warten auf Busse, Warten auf Anweisungen, Warten auf den richtigen Moment, um zu handeln, Warten auf den richtigen Zeitpunkt, um zu töten –, aber nur selten war das Warten so wörtlich zu nehmen gewesen. Ich zählte die Sekunden. Ich beobachtete die Autos, die auf der Straße vorbeifuhren. Ich probierte aus, wie lange ich die Luft anhalten konnte. Ich ging meinen Plan in Gedanken immer und immer wieder durch. Ich dachte an dich. Ich dachte darüber nach, wie es sein würde, mich von dir verabschieden zu müssen. Ich versuchte, nicht mehr an dich zu denken. Es funktionierte nicht.
Die Zeit verging. Schließlich hörte ich, wie sich der Knopf der Eingangstür drehte. Die Hausangestellte war mit dem Wischen und Staubsaugen fertig und würde jeden Moment herauskommen, um die Post zu holen. Die Tür ging auf, und sie trat ins Freie. Ohne auch nur einen einzigen Blick in meine Richtung zu werfen, wischte sie sich die Hände an ihrer Schürze ab und ging die Zufahrt hinunter. Ich sah ihr nach und beobachtete, wie ihr die Überwachungskameras den Hügel hinunter folgten. Als sie auf der anderen Seite des Brunnens angekommen war, stand ich mit meinem Rucksack auf, ging schnell zur Eingangstür, öffnete sie und betrat das Haus. Meine nassen Kleidungsstücke ließ ich auf der Veranda zurück. Ich würde sie nicht mehr brauchen.
Nachdem ich im Haus war, machte ich mich auf den Weg zum Fitnessraum im Untergeschoss, in dem die Hausangestellte immer unmittelbar nach dem Frühstück saubermachte. Sie hatte also keinen Grund, ihn nochmals zu betreten. Da es darin keine Bettwäsche gab, die hätte gewechselt werden müssen, war ich dort in Sicherheit. Ich betrat den Raum, schlüpfte in den Schrank und setzte mich auf den Boden. Dann nahm ich die Pistole aus meinem Rucksack und montierte den Schalldämpfer, vergewisserte mich, dass sie geladen war, und legte sie in meinen Schoß. Ich trank noch etwas Mineralwasser und aß den zweiten Energieriegel. Ich gratulierte mir selbst. Noch fror ich und war ein wenig müde, doch mein Plan funktionierte hervorragend. Jetzt war es wieder Zeit zu warten. Es würde weitere neun Stunden dauern, bis Phase zwei meines Plans in Kraft trat.
Irgendwann schlief ich ein. Ich weiß nicht, wie lange ich eingenickt bin. Einschlafen gehörte jedenfalls nicht zu meinem Plan. Die fünf Minuten, die ich im kalten Wasser gelegen hatte, mussten mich mehr ausgelaugt haben, als ich erwartet hatte. Als ich wieder aufwachte, saß ich verdreht und an die Wand gelehnt in einer dunklen Ecke des Schranks. Ich öffnete die Augen und hob den Kopf. An meiner linken Schulter befand sich ein feuchter Fleck, da ich im Schlaf offenbar gesabbert hatte. Die Luft im Schrank war extrem warm. Ich erinnerte mich nicht, wovon ich geträumt hatte, aber ich wachte mit einem Krampf im Nacken und einer heftigen Erektion auf. Einzuschlafen war gefährlich gewesen. Ich hätte schnarchen können. Ich hätte zusammenzucken und gegen eine Wand rumpeln können. Ich hätte im Schlaf murmeln oder schreien können. Das war eine dieser Achtlosigkeiten, einer dieser kleinen Fehler, die manch einer mit dem Leben bezahlt. Wenn ich entdeckt worden wäre, schlafend im Schrank, mit einer Pistole im Schoß, hätte das Ganze kein gutes Ende genommen. Zumindest nicht für mich.
Ich hatte jedoch Glück. Alles war in Ordnung. Ich hatte weder geschnarcht noch geschrien. Ich sah auf die Uhr: halb sechs Uhr abends. Ich war mit meinem Nickerchen noch einmal davongekommen. Es war gefährlich gewesen, hatte mir aber vermutlich gutgetan. Ich wollte die Sache einfach nur hinter mich bringen. Ich überprüfte erneut die Pistole. Dann hielt ich inne und lauschte. Ich hielt kurz den Atem an und versuchte, keinen einzigen Laut zu verursachen, damit ich
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