Der Hinterhalt
spielte irgendein Computerspiel. Ich hörte das Quietschen von Reifen, Schüsse und allgemeines Chaos. Im Vergleich dazu würde das echte Chaos leise sein.
Ich erklomm die Treppe. Dabei ging ich mit dem Rücken zur Wand und ließ die Schlafzimmertüren nicht aus den Augen. Wenn jetzt jemand herauskam, war ich bereit, bei Sichtkontakt zu schießen. Die Türen bewegten sich nicht. Ich kam ohne Zwischenfall am oberen Ende der Treppe an und duckte mich in der Dunkelheit. Keine einzige Stufe hatte geknarrt. Meine Zielperson und der Leibwächter blieben in ihren Zimmern. Oben angekommen wurden die Geräusche aus dem Zimmer des Bodyguards lauter. Als ich vor seiner Tür stand, streckte ich die Hand aus und berührte sie, als wollte ich testen, ob es in dem Raum brannte. Dabei handelte es sich um einen Reflex. Die Tür war kalt.
Ich holte tief Luft, hielt die Pistole in der rechten Hand, griff mit der linken zum Türknauf und drehte ihn. Zwei Schüsse – das musste genügen. Ich drückte gegen die Tür. Sie schwang mit einem leisen Quietschen auf. Dann trat ich durch die Türöffnung und zielte mit der Pistole auf den Leibwächter. Irgendwie hatte er die Tür trotz all des Lärms aus seinem Computer gehört. Er reagierte schnell. Erst sah er mich an, dann die Pistole. Seine Augen weiteten sich vor Angst. Er warf sich vom Stuhl und versuchte, sich hinter dem Bett in Sicherheit zu bringen. Ich hatte gut gezielt. Wenn er nicht so schnell abgetaucht wäre, hätte ich ihn genau in die Brust getroffen. Hätte er die Tür nicht quietschen gehört, hätte ihn mein erster Schuss wahrscheinlich getötet. Doch anstatt ihn in die Brust zu treffen, landete die Kugel in seiner Schulter. Trotz des Schalldämpfers war der Schuss ziemlich laut. Ich wurde ein wenig nervös und feuerte sofort noch einmal, wobei ich auf seine Körpermitte zielte und ihn in den Unterleib traf. Als die Kugel eindrang, stöhnte der Leibwächter auf. Er fiel zu Boden und blutete bereits stark aus dem Bauch. Dann setzte er sich erneut in Bewegung. Er stürzte sich in Richtung Nachttisch. Dort bewahrte er seine Pistole auf. Ich hatte beobachtet, dass die Bodyguards ihre Pistolen dort verstauten. Ich zielte abermals. Diesmal nahm ich seinen Kopf ins Visier. Ich wollte nur noch einmal schießen, um die Sache zu Ende zu bringen, und mich dann um den Mann kümmern, den ich töten sollte. Ich musste hoffen, dass er die Schüsse nicht gehört hatte, dass sie im Getöse des Computerspiels untergegangen waren. Ich brachte das Visier der Pistole auf eine Linie mit dem Haar des Bodyguards, doch mit seinem Haar stimmte etwas nicht. Sein Haar hätte nicht so aussehen sollen. Sein Haar war blond. Es hätte braun sein sollen. Er war der falsche Bodyguard. Ich war nicht dabei, einen unserer Feinde zu töten. Ich war dabei, einen unschuldigen Menschen zu töten.
Ich nahm den Finger vom Abzug und senkte den Blick auf die Blutspur, die der Australier beim Kriechen auf dem Teppich hinterlassen hatte. Für einen Moment erstarrte ich. Es kam mir vor, als hätte ich zum ersten Mal das Blut eines Fremden gesehen, als hätte sein Blut eine andere Farbe gehabt als das aller anderen Menschen, die ich jemals getötet hatte. Der Magen drehte sich mir um, und ich fing an zu schwitzen. Der Australier warf sich noch einmal ein Stück Richtung Nachttisch und streckte den Arm aus, um die Schublade zu öffnen. Seine Hand näherte sich seiner Pistole. Instinktiv machte ich einen Schritt auf ihn zu und trat ihm so fest ich konnte in den Bauch. Ich traf ihn genau dort, wo mein Schuss ihn getroffen hatte. Er schrie vor Schmerz auf und krümmte sich, bevor er nach seiner Pistole greifen konnte. Ich zog den Fuß zurück. Er war blutüberströmt. Ich beugte mich zu dem Australier hinunter, hielt ihm meine Pistole mit wenigen Zentimetern Abstand an den Kopf und flüsterte ihm mit hasserfüllter Stimme zu: »Du bist der Falsche.« Der Bodyguard machte keine Bewegung. Ich ging zur Schlafzimmertür und schloss sie, um nachdenken zu können.
Der Leibwächter starrte mich einfach nur entgeistert an. Ich sah die Angst in seinen Augen. Ich hatte soeben zweimal auf ihn geschossen und ihm dann gesagt, er sei der Falsche. Er musste mich für wahnsinnig halten. Er öffnete den Mund und brachte ein einziges Wort über die Lippen. »Was?«, fragte er.
Ich schob die Skimaske ein Stück nach oben, sodass mein Mund nicht mehr bedeckt war. »Du bist der Falsche«, wiederholte ich. »Aber wenn du dich wehrst, blase ich
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