Der Hinterhalt
dir dein verdammtes Hirn weg.« Das zeigte Wirkung. Der Bodyguard drehte sich um, streckte die Beine aus und lehnte sich mit dem Rücken gegen das Bett. Er sah nach unten auf die beiden Löcher in seinem Körper, die ich ihm verpasst hatte. Aus der Schusswunde an seiner Schulter trat langsam Blut aus, tropfte auf seine Brust und blieb im Feinrippstoff seines Unterhemds hängen. Die Blutmenge war jedoch nichts im Vergleich zu der, die ihm aus dem Bauch quoll. Der Fleck auf seinem Unterhemd war bereits so groß wie ein Tischglobus. Er musterte seine Verletzungen und sah dann zu mir auf. Ich stand mit meiner Pistole in der Hand vor ihm. Er fing an zu heulen. »Halt’s Maul«, fuhr ich ihn an und hätte ihm allein wegen seiner Anwesenheit am liebsten ins Gesicht geschlagen. »Du solltest eigentlich nicht hier sein«, murmelte ich. Er schluchzte so laut, dass er mich nicht hören konnte. Mein Gehirn arbeitete auf Hochtouren. Meine Zielperson war nur gut fünf Meter entfernt. Ich hätte hinübergehen und ihr zwei Kugeln in den Kopf jagen können, und die Sache wäre in weniger als einer halben Minute erledigt gewesen. Ich warf erneut einen Blick auf den Australier. Er hatte aufgehört zu schluchzen, starrte mich an und versuchte, mir durch die Skimaske in die Augen zu sehen. Sein Gesichtsausdruck verriet inzwischen eine Mischung aus Verwirrung und Wut. Mir war klar, dass er zu seiner Pistole greifen würde, wenn ich ihn am Leben ließ. Er würde versuchen, den Helden zu spielen. Ihn am Leben zu lassen kam nicht in Frage. Töten konnte ich ihn aber auch nicht. Schließlich war ich kein Mörder. Ich war ein Soldat. Deshalb beschloss ich, ihn zu retten. Ich durfte kein unschuldiges Blut an den Händen haben. Auf gar keinen Fall. Scheiß drauf, dachte ich. Scheiß auf die Zielperson.
»Ich werde dich nicht umbringen«, sagte ich dem Bodyguard im Flüsterton. »Ich werde dich hier rausschaffen, und ich werde dich retten. Aber wenn dein Boss uns sieht oder hört und die Polizei ruft, muss ich euch beide umlegen. Verstanden?« Der Australier nickte. Langsam wich die Wut aus seinem Gesicht. Übrig blieb nur die Verwirrung. Ich hatte soeben auf ihn geschossen, und jetzt versuchte ich, ihn zu retten. Das konnte er unmöglich verstehen. Wenn ich ihn retten wollte, musste ich jedoch schnell handeln.
»Kannst du gehen?«, fragte ich ihn. Ohne ein Wort zu sagen, griff der Australier nach dem Bettpfosten und versuchte aufzustehen. Zunächst benutzte er dazu seinen linken Arm, den mit der Schusswunde in der Schulter. Der Versuch scheiterte. Als er versuchte, sich hochzuziehen, rutschte er mit seiner blutverschmierten Hand ab, fiel mit dem Gesicht nach unten zu Boden und landete mit der Nase auf dem Teppich. Ich trat einen Schritt nach vorn und drehte ihn um. »Kann ich dir trauen?«, fragte ich ihn und suchte in seinen Augen nach der Antwort.
»Ja«, erwiderte er mit leichtem australischem Akzent. Inzwischen war auch die Verwirrung aus seinem Gesicht gewichen und hatte Angst Platz gemacht. Ich traute ihm immer noch nicht. Nur seiner Angst traute ich. Davon hatte ich in meinem Leben schon genug gesehen, um zu wissen, dass ich mich auf sie verlassen konnte.
Ich nahm seinen unversehrten Arm und legte ihn mir um die Schultern. Dann zog ich den Australier an mir hoch auf die Beine. Den anderen Arm, mit dem ich die Pistole hielt, legte ich ihm um die Taille, um ihm dabei zu helfen, das Gleichgewicht zu halten. »Wir gehen nach unten«, sagte ich. Er nickte abermals. Wir machten zwei Schritte in Richtung Tür. Der Australier war bereits geschwächt. Er hob die Füße kaum an und zog sie bei jedem Schritt hinterher. »Streng dich an«, sagte ich zu ihm, als wir bei der Tür ankamen. Bevor ich sie öffnete, wandte ich mich an den Leibwächter: »Hast du die Fernbedienung für die Bewegungsmelder, oder hat er sie?« Der Australier deutete sich mit seiner freien Hand auf die Brust. »Und sie sind nicht eingeschaltet?«, fragte ich. Er schüttelte den Kopf. Nun bestand kein Zweifel mehr. Wir waren im selben Team. Wir hatten dasselbe Ziel.
Ich öffnete die Tür, und wir verließen das Zimmer. Der Australier ging jetzt mit mehr Selbstvertrauen und schien sich daran zu gewöhnen, auf eigenen Beinen zu stehen. Eine Hand presste er nach wie vor auf die Schusswunde am Bauch, um die Blutung zu verringern. Wir machten einen Schritt in Richtung Treppe. Dann hörte ich ein Geräusch aus dem Schlafzimmer meiner Zielperson. Zuerst ein Rascheln, dann eine
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