Der Hinterhalt
zu ergreifen, mich für immer in deinen Bann zu schlagen, hätte er funktioniert, wenn ich dir nicht ohnehin schon verfallen gewesen wäre. Dann war alles vorbei, und du sacktest auf mir zusammen. Mein Höhepunkt hatte dich zu deinem gebracht, unsere schweißglänzenden Körper ineinander verschlungen.
Wir sagten kein Wort. Ich zog dich an mich heran, presste deinen nackten Körper an meinen und fragte mich, ob es jetzt wohl vorbei sei, ob du mich jemals wieder begehren würdest. Mit jedem Augenblick, der verging, wuchs meine Gewissheit, dass du mich verlassen würdest, wenn ich dir meine Geheimnisse verriet. Währenddessen lagst du neben mir und hattest Angst, dass ich dich verlassen würde, wenn du mir dein Geheimnis preisgabst. Letzten Endes trieben uns unsere Geheimnisse nicht auseinander. Sie schweißten uns zusammen.
In dieser Nacht hatte keiner von uns beiden den Mut zu beichten. Wir taten so, als sei alles normal. Wir kletterten aus dem Bett, um zu essen. Irgendwann hatten wir uns gegenseitig ausgelaugt. Du schliefst zuerst ein. Ich lag neben dir, spürte deinen Herzschlag und die Wärme deines Körpers auf meiner Haut. Schließlich schloss ich die Augen und schlief ebenfalls ein.
Ich erinnere mich, dass ich am nächsten Morgen aufwachte und ein paar Minuten lang einfach mit geschlossenen Augen liegen blieb. Ich wollte nicht wach sein. Ich wollte nicht, dass der Tag anbrach. Mit dem Morgen kam das Bezahlen ungetilgter Schulden, das Enthüllen unausgesprochener Wahrheiten. Ich konnte dich neben mir hören. Du warst wach. Ich sah dich durch halb geschlossene Augenlider an. Du hast aufrecht im Bett gesessen und hattest dir die Bettdecke bis unter die Achseln gezogen, um nicht zu frieren. Ich erkannte Angst in deinem Gesicht – Angst und Entschlossenheit. Langsam öffnete ich die Augen.
Du verlorst keine Zeit. »Wir müssen reden«, sagtest du, sobald du sahst, dass ich wach war. Du wirktest nervös. Ich beobachtete, wie dein Blick zwischen meinem Gesicht und der Zimmerdecke hin und her tanzte.
»Ich weiß«, erwiderte ich. »Ich habe dir versprochen, dass ich dir alles erzähle.« Meine Worte verhallten. Da ich nicht wusste, was ich als Nächstes hätte sagen können, schwieg ich. Es kehrte Stille ein.
»Aber?«, bohrtest du nach.
»Nichts aber«, entgegnete ich. »Wenn du es wirklich wissen willst, dann erzähle ich es dir.« Ich verstummte abermals.
»Natürlich will ich es wissen«, sagtest du. »Du verschwindest für Wochen. Du rufst kaum an. Du sagst mir nicht, was du eigentlich machst. Du sagst mir nicht mal genau, wo du bist. Und wenn du mich anrufst, dann rufst du mich mitten in der Nacht an. Ich muss es wissen, Joe.« Du warst den Tränen nahe. Das erkannte ich an deinen Augen. Es war greifbar. Ich wusste nicht, wo ich beginnen sollte. Ich dachte an all die Einführungsveranstaltungen, denen ich beigewohnt hatte. Ich dachte daran, wie die Leute vom Geheimdienst den Jugendlichen all die Fotos zeigten. Als Erstes zeigten sie ihnen Fotos von ihren Feinden. Dann zeigten sie ihnen Fotos von Leichen – Leichen über Leichen. Schließlich zeigten sie ihnen Fotos von ihren Verbündeten. Sie hatten ein System, und dieses System funktionierte. Aber du warst anders. Alle diese Jugendlichen, jeder einzelne von ihnen, wuchsen mit einem Verdacht auf. Die Welt, in der sie lebten, ergab für sie keinen Sinn, bis ihnen jemand Fotos und Erklärungen präsentierte. Für sie sorgte der Krieg dafür, dass alles mehr Sinn ergab. Deine Welt ergab bereits einen Sinn. Das Einzige, was in deiner Welt keinen Sinn ergab, war ich.
»Wovor hast du Angst?«, fragtest du, da du meine Furcht spürtest.
Vor so vielem, dachte ich. »Ich habe Angst davor, dass du mir nicht glauben wirst« war das, wofür ich mich entschied.
Du wolltest mir helfen. Du wolltest mir glauben. Es heißt, dass Ungeheuer unheimlicher sind, wenn man sie nicht sieht. Dass das Ungeheuer, das man sich vorstellt, meist unheimlicher ist als die Wahrheit. Was passiert, wenn dem nicht so ist? Was passiert, wenn das Ungeheuer schrecklicher ist, als man sich jemals hätte vorstellen können? »Was wäre, wenn ich dir versprechen würde, dir zu glauben?«, sagtest du, als sei ein solches Versprechen überhaupt möglich.
»Ich fürchte, das wäre womöglich noch schlimmer«, erwiderte ich. Mein Mund war trocken. Ich sah dich an, um Mut zu fassen, doch das machte alles nur noch schwieriger. Dieser Krieg hatte mir viel genommen. Ich wollte nicht, dass er mir
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