Der Hintermann
Gabriel eine Hand auf die Schulter, dann nickte er ihm nochmals zu und verschwand im Weißen Haus. Gabriel blieb noch einen Augenblick allein stehen, bevor er sich abwandte und die Auffahrt zum wartenden Escalade hinunterging. Carter sagte nichts, bis sie das Sicherheitslabyrinth durchfahren hatten und wieder auf der Fifteenth Street waren.
»Wie war er?«
»Er kennt sehr wohl Ihren Namen«, sagte Gabriel. »Und er bewundert Sie sehr.«
»Vielleicht sollte er das mal seinem Terrorismus-Zar erzählen.«
»Daran arbeite ich.«
»Sonst noch etwas, das ich wissen müsste?«
»Unser Gespräch war privat, Adrian, und das wird es auch bleiben.«
Carter lächelte. »Guter Mann.«
51
T HE C ITY , L ONDON
Die Investmentgesellschaft Rogers & Cressey hatte ihre Büros im achten Stock eines architektonisch einfallslosen Hochhauses aus Glas und Stahl in der Cannon Street unweit der St.-Pauls-Kathedrale. In Londoner Finanzkreisen stand R&C in dem wohlverdienten Ruf, diskret und sehr gerissen zu agieren. Deshalb war es keine Überraschung, dass die Übernahme von Thomas Fowler Associates behandelt wurde, als ginge es um die Wahrung eines Staatsgeheimnisses. Es gab eine kurze Pressemitteilung, die niemandem auffiel, und ein merkwürdig unscharfes Foto, das nur auf der unspektakulären Homepage von R&C erschien. Die Aufnahme zeigte einen Berufsschauspieler und war von einem Fotografen gemacht worden, der üblicherweise in Überwachungsfahrzeugen mit abgedunkelten Scheiben arbeitete.
Wie erwartet stürzten sich Thomas Fowler und seine insgesamt zwölf Kollegen sofort in die Arbeit. Sie bezogen ihre Bürosuite in einer Ecke des achten Stocks an einem Dienstagmorgen und waren bis zum Abend damit beschäftigt, ihren ersten Deal als Teil der R&C-Familie vorzubereiten. Das war ein kompliziertes Verfahren mit vielen Variablen, hohem Risiko und einer Vielzahl von gegensätzlichen Interessen. Aufs Wesentliche reduziert handelte es sich um ein Baugrundstück in bester Lage am Dubai Creek und eine milliardenschwere saudi-arabische Investorin namens Nadia al-Bakari.
Fowler und sein Team kannten Miss al-Bakari gut, weil sie die Dame schon mehrmals in einem Château nördlich von Paris getroffen hatten. Nach regem E-Mail-Verkehr untereinander am Mittwoch landete ihr Privatjet am Donnerstagmorgen auf dem Londoner Flughafen Stansted. Mit heimlicher Unterstützung durch das MI5 sorgte R&C dafür, dass sie dort abgeholt wurde. Die Rechnung für die beiden gepanzerten Bentleys erregte zwar Aufsehen in der Buchhaltung im Thames House, das sich wie alle staatlichen Dienststellen an strikte Sparauflagen zu halten hatte. Etwaige Bedenken wurden jedoch zerstreut, als Graham Seymour die Rechnung mit der Bitte um sofortige Begleichung an Langley weiterreichte. Langley murmelte etwas von beiderseitigen Opfern und einer besonderen Beziehung. Dann überwies er den Rechnungsbetrag von einem seiner scheinbar unerschöpflichen Konten, und die Sache wurde in vornehmen Kreisen nie mehr erwähnt.
Bentley-Limousinen waren in der Cannon Street kein seltener Anblick, aber einige Passanten blieben doch stehen, um zu beobachten, wie Nadia al-Bakari aus einem der Wagen ausstieg und sofort von Bodyguards in dunklen Anzügen umringt wurde. Die Männer geleiteten sie in die Eingangshalle des unattraktiven R&C-Gebäudes, wo sie von einem jungen Mann mit dem Gesicht eines Landpfarrers erwartet wurde. Falls er seinen Namen nannte, bekam niemand ihn richtig mit. Tatsächlich war er Nigel Whitcombe, ein junger MI5-Agent, der an Gabriels Seite im Kampf gegen den russischen Waffenhändler Iwan Charkow erste Einsatzerfahrung gesammelt hatte.
Whitcombe führte Nadia und ihre Bodyguards in den bereitstehenden Aufzug, den er mit einem Fingerdruck auf einen Knopf in den achten Stock hinaufschickte. Oben im Foyer warteten bereits die Seniorpartner von R&C mit ihrem neuen Kollegen Thomas Fowler, der anderswo als Jossi Gawisch bekannt war. Er trug einen grauen Nadelstreifenanzug von Anthony Sinclair in der Savile Row und ein Lächeln, das üppige Gewinne versprach. Nachdem er Nadia al-Bakari wie eine alte Freundin begrüßt hatte, geleitete er sie in den luxuriösen Konferenzraum von R&C. Whitcombe schlug den Bodyguards vor, auf dem Korridor Platz zu nehmen, was sie ohne Widerrede taten. Dann folgte er Jossi und Nadia in den Konferenzraum, dessen schwere Tür mit beruhigend dumpfem Schlag ins Schloss fiel.
Die Lamellenjalousien waren geschlossen, die Decken- und Wandleuchten
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