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Der Hintermann

Der Hintermann

Titel: Der Hintermann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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menschliche Faktor – die Fähigkeit, Spione anzuwerben und ins Lager ihrer Feinde einzudringen –, den die Amerikaner weniger gut beherrschten, weswegen sie sich an den Dienst gewandt hatten.
    Auf Gabriels Bitte gab Carter sich große Mühe, Nadia al-Bakaris Namen vor dem offiziellen Washington geheim zu halten. Trotz der offenkundigen potenziellen Auswirkungen auf die amerikanisch-saudischen Beziehungen versäumte er es, ihn bei seiner wöchentlichen Besprechung im Weißen Haus dem Präsidenten oder James McKenna gegenüber zu erwähnen. Er sorgte auch dafür, dass die Identität der wahren Empfänger der NSA-Abhörprotokolle verschleiert wurde. Sie wurden an Carters persönlichen Assistenten geschickt, der sie dann an die CIA-Station in Paris weiterleitete. Der stellvertretende Stationschef, der seine Karriere Carter verdankte, brachte sie anschließend persönlich nach Seraincourt ins Château Treville hinaus, wo Sarah Bancroft ihren Empfang quittierte. Für Gabriel und sein Team war der Telefon- und E-Mail-Verkehr von Rafiq al-Kamal besonders interessant, dem Chef von Nadias Sicherheitsdienst. Obwohl er oft mit Kontaktleuten im saudi-arabischen GID und im Innenministerium telefonierte, erwähnte er den Namen Zoe Reed kein einziges Mal. Ganz anders Madame Dubois, die in den folgenden zweiundsiebzig Stunden die Leitungen zwischen Paris und London glühen ließ, um möglichen boshaften Klatsch und sie belastendes Material aus Zoes professioneller Vergangenheit zusammenzutragen. Gabriel sah das als ermutigendes Zeichen. Scheinbar wurde die investigative Journalistin von der AAB Holding als PR-Problem, nicht als Sicherheitsrisiko gesehen.
    Zoe blieb in seliger Unwissenheit, was die um sie herum gesponnenen Intrigen betraf. Sie hielt sich an Gabriels sorgfältig ausgearbeitetes Drehbuch und hatte keinerlei weitere Kontakte mit der AAB Holding oder deren Angestellten. Um sich die freie Zeit zu vertreiben, besuchte sie Museen oder machte weite Spaziergänge entlang der Seine, bei denen Eli Lavon und seine Kollegen sich vergewissern konnten, dass sie nicht beschattet wurde. Als zwei weitere Tage ohne eine Nachricht von Nadia verstrichen, wurde Zoes Produzent in New York ungeduldig. »Ich will, dass du spätestens am Montag wieder in den Staaten bist«, erklärte er ihr am Telefon. »Mit oder ohne Exklusivinterview. Das ist einfach eine Geldfrage. Nadia al-Bakari schwimmt in Geld, wir müssen jeden Cent dreimal umdrehen.«
    Diese Nachricht trübte die Stimmung in dem sicheren Haus in Seraincourt, so wie es auch die Rede des französischen Staatspräsidenten an diesem Nachmittag vor der zu einer Sondersitzung zusammengetretenen Nationalversammlung tat. »Die Frage ist nicht, ob Frankreich weitere terroristische Anschläge drohen«, warnte der Präsident, »sondern nur, wo und wann. Es ist eine traurige Tatsache, dass die Flammen des Extremismus weitere Opfer fordern werden. Leider ist dies im einundzwanzigsten Jahrhundert Teil des Lebens eines Bürgers in Europa.«
    Wenige Minuten nach dieser Rede ging eine Nachricht von der Operationsabteilung am King Saul Boulevard ein. Sie bestand aus nur vier Zeichen – zwei Buchstaben, dann zwei Ziffern –, aber ihre Bedeutung war klar. Gott wartete in einer sicheren Wohnung am Montmartre. Und Gott wollte Gabriel unter vier Augen sprechen.

26
    M ONTMARTRE , P ARIS
    Das Apartmenthaus stand in der Rue Lepic unweit des Friedhofs. Es war ein sechsstöckiger grauer Bau mit schmiedeeisernen Balkongittern und Dachgauben zur Straße hin. Auf dem Innenhof stand ein einzelner, um diese Jahreszeit kahler Baum, und aus der düsteren Eingangshalle führte eine Wendeltreppe nach oben, deren abgetretener Kokosläufer Gabriels Schritte dämpfte, als er rasch in den dritten Stock hinaufging. Die Tür von Apartment 3A stand einen Spaltbreit offen, und im Wohnzimmer saß ein alter Mann, der eine frisch gebügelte Khakihose, ein weißes Oberhemd und eine lederne Bomberjacke mit einem nicht reparierten Riss auf der linken Brustseite trug. Er saß mit leicht gespreizten Beinen in einem Brokatsessel und hatte seine großen Hände auf dem Knauf eines Spazierstocks aus Olivenholz übereinandergelegt – wie ein Reisender, der sich an einem Bahnsteig auf langes Warten eingerichtet hat. Zwischen zwei von Nikotin gelben Fingern glimmte eine filterlose Zigarette. Aufsteigender beißender Rauch umgab seinen Kopf wie eine persönliche Gewitterwolke.
    »Gut siehst du aus«, sagte Ari Schamron zur Begrüßung.

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