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Der Hintermann

Der Hintermann

Titel: Der Hintermann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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»Wieder im Einsatz zu sein, bekommt dir offenbar.«
    »So wollte ich den Winter eigentlich nicht verbringen.«
    »Dann hättest du vielleicht keinem Selbstmordattentäter durch den Covent Garden folgen sollen.«
    Schamron lächelte freudlos, dann drückte er seine Zigarette im Aschenbecher auf dem Couchtisch aus. Darin lagen schon sechs ausgedrückte Stummel, alle ordentlich aufgereiht wie Patronen, die darauf warteten, in die Trommel eines Revolvers gesteckt zu werden. Er legte die siebte jetzt daneben und musterte Gabriel nachdenklich durch den Qualm hindurch.
    »Ich freue mich, dich zu sehen, mein Sohn. Ich dachte eigentlich, unsere Begegnung im letzten Sommer auf den kornischen Klippen sei unsere letzte gewesen.«
    »Das habe ich auch gehofft.«
    »Kannst du nicht wenigstens so tun, als seien dir meine Gefühle nicht egal?«
    »Nein.«
    Schamron zündete sich mit seinem alten Zippo die nächste Zigarette an und blies den Rauch absichtlich in Gabriels Richtung.
    »Wie redegewandt«, sagte Gabriel.
    »Manchmal fehlen mir die Worte. Zum Glück trifft das in Bezug auf meine Feinde selten zu. Und sie haben’s wieder einmal geschafft, dich zum King Saul Boulevard zurückzubringen, wo du hingehörst.«
    »Vorübergehend.«
    »Oh, natürlich«, stimmte Schamron unaufrichtig hastig zu. »Klar, deine Tätigkeit ist rein vorübergehend.«
    Gabriel trat an die Balkontür mit Blick auf die Rue Lepic und öffnete einen der Flügel. Kalte Luft strömte herein und mit ihr abendlicher Verkehrslärm.
    »Muss das sein?«, fragte Schamron stirnrunzelnd. »Mein Arzt sagt, dass ich Zugluft meiden soll.«
    »Meiner sagt, dass ich Passivrauchen vermeiden soll. Deinetwegen habe ich die Lunge eines Mannes, der pro Tag zwanzig Zigaretten raucht.«
    »Irgendwann wirst du aufhören müssen, mich für alles verantwortlich zu machen, was in deinem Leben schiefgegangen ist.«
    »Weshalb?«
    »Weil es kontraproduktiv ist.«
    »Es ist aber zufällig die Wahrheit.«
    »Ich habe immer wieder die Erfahrung gemacht, dass es besser ist, die Wahrheit zu meiden. Sie führt unweigerlich zu unnötigen Komplikationen.«
    Gabriel schloss den Türflügel, dämpfte so wieder den Verkehrslärm und fragte Schamron, was ihn nach Paris geführt habe.
    »Uzi dachte, du könntest einen zusätzlichen Helfer brauchen.«
    »Warum hat er mir nicht gesagt, dass du kommst?«
    »Das muss er vergessen haben.«
    »Weiß er überhaupt, dass du hier bist?«
    »Nein.«
    Gabriel musste unwillkürlich lächeln. »Versuchen wir’s noch mal, Ari. Was führt dich nach Paris?«
    »Ich hab mir Sorgen gemacht.«
    »Wegen des Unternehmens?«
    »Um dich«, sagte Schamron. »So ist’s eben mit Vätern. Wir machen uns Sorgen um unsere Kinder, bis wir sterben.«
    »Von alledem verstehe ich nichts, fürchte ich.«
    »Vergib mir, mein Sohn«, sagte Schamron nach kurzer Pause. »Ich hätte’s besser wissen müssen. Schließlich ist auch das meine Schuld.«
    Er stemmte sich hoch und schlurfte schwer auf seinen Stock gestützt in die Küche. Auf der Arbeitsplatte lagen die Einzelteile eines französischen Kaffeekochers neben einem Wasserkessel und einer offenen Packung Carte Noir. Schamron machte einen unbeholfenen Versuch, den Gasherd anzuzünden, bevor er kapitulierend die Hände hob. Gabriel schob ihn weg, zum Küchentisch hinüber, und hob misstrauisch die Kaffeetüte an die Nase. Das Zeug roch wie Staub.
    »Wenn ich mich nicht irre«, sagte Schamron, indem er sich auf einen Stuhl sinken ließ, »ist dies der Rest des Kaffees, den wir bei unserem letzten Treffen hier getrunken haben.«
    »Gleich nebenan ist ein kleiner Supermarkt. Kommst du allein zurecht, bis ich zurück bin?«
    Mit einer ablehnenden Handbewegung bedeutete Schamron ihm, dieser Kaffee sei gut genug. Gabriel füllte den Wasserkessel und drehte den Gasherd auf.
    »Eines verstehe ich noch immer nicht«, sagte Schamron, der ihn aufmerksam beobachtete.
    »Das ist wirklich nicht kompliziert, Ari. Man füllt Kaffee ein, gießt mit Wasser auf, wartet etwas und drückt dann den Stab mit dem Filtersieb hinunter.«
    »Ich rede von dem Mann im Covent Garden. Warum bist du ihm nachgegangen? Wieso hast du nicht einfach Graham Seymour gewarnt und bist zu deinem Cottage am Meer zurückgefahren?«
    Gabriel gab keine Antwort.
    »Darf ich eine mögliche Erklärung anbieten?«
    »Wenn du darauf bestehst.«
    »Du bist ihm nachgegangen, weil du genau wusstest, dass die Engländer weder mutig noch entschlossen genug sein würden, um ihn

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