Der Hintermann
ohne jedoch etwas zu sagen.
»Wie ich von meinen Informanten erfuhr, haben Sie letzten Monat ein bedeutendes Gemälde erworben. Sie sollen bei Christie’s in New York den neuen Rekordpreis für den Rothko gezahlt haben.«
»Ihre Informanten täuschen sich, Zoe.«
»Meine Informanten täuschen sich nie . Und sie haben mir noch mehr über Sie erzählt. Die Frauenrechte in der islamischen Welt sind Ihnen offenbar nicht so gleichgültig, wie Sie behaupten. Sie haben stillschweigend Millionen von Dollar für den Kampf gegen Gewalt an Frauen gespendet und weitere Millionen für die Förderung von Unternehmerinnen ausgegeben, weil sie glauben, die muslimische Frau auf diese Weise am besten stärken zu können. Aber Ihre Wohltätigkeit ist damit noch nicht erschöpft. Wie ich gehört habe, setzen Sie Ihr Vermögen auch dazu ein, in der arabischen Welt freie und unabhängige Medien zu unterstützen. Außerdem haben Sie versucht, durch Spenden an Organisationen, die einen toleranteren Islam propagieren, die Ausbreitung der gefährlichen wahhabitischen Ideologie zu verhindern.« Zoe machte eine Pause. »Alles in allem zeichnen Ihre Aktivitäten ein Bild von einer mutigen Frau, die im Alleingang versucht, das heutige Gesicht des Nahen Ostens zu verändern.«
Nadia rang sich ein flüchtiges Lächeln ab. »Sicher eine reizvolle Story«, sagte sie dann. »Nur ist leider nichts davon wahr.«
»Wie schade«, sagte Zoe, »denn es gibt Leute, die Sie in Ihrem Engagement unterstützen möchten.«
»Was für Leute?«
»Diskrete Leute.«
»Im Nahen Osten sind diskrete Leute entweder Spione oder Terroristen.«
»Ich kann Ihnen versichern, dass sie keine Terroristen sind.«
»Dann müssen sie Spione sein.«
»Ihren Beruf habe ich nie erfahren.«
Nadia musterte sie skeptisch. Zoe hielt ihr eine Karte hin, auf der nicht ihr Name, sondern nur die Nummer ihres Blackberrys stand.
»Das ist meine Privatnummer. Sie müssen weiter sehr vorsichtig sein. Wie Sie wissen, sind Sie von Leuten umgeben – dazu gehören auch Ihre Bodyguards –, die Ihre Ideen für eine bessere islamische Welt keineswegs teilen.«
»Welches Interesse haben Sie an dieser Sache, Zoe?«
»Mein einziges Interesse liegt darin, ein Interview mit einer Frau zu bekommen, die ich sehr bewundere.«
Nadia zögerte noch. Dann griff sie nach der Karte und steckte sie in ihre Handtasche. Im selben Augenblick wurde die Tür der Suite erneut geöffnet, und Madame Dubois kam mit Rafiq al-Kamal hinter sich herein. Sie tippte wieder auf ihre Armbanduhr. Diesmal stand Nadia auf. Als sie Zoe die Hand gab, wirkte sie plötzlich erschöpft.
»Ich weiß nicht, ob ich den Schleier schon lüften will«, sagte sie, »aber ich möchte über Ihren Vorschlag nachdenken. Könnten Sie noch ein paar Tage in Paris bleiben?«
»Da bringen Sie mich in eine schreckliche Lage«, sagte Zoe scherzend, »aber ich will versuchen, damit zurechtzukommen.«
Nadia ließ Zoes Hand los und folgte dem Chef ihres Sicherheitsdiensts auf den Korridor hinaus. Zoe blieb noch einen Augenblick in der Luxussuite, bevor sie in ihr Zimmer drei Stockwerke tiefer zurückkehrte. Dort schaltete sie das Blackberry ein und rief ihren Produzenten in New York an, um ihm mitzuteilen, sie bleibe vorläufig in Paris, um weitere Verhandlungen zu führen. Dann legte sie das Blackberry auf den Nachttisch und blieb lange am Fußende ihres Betts sitzen. Sie roch Jasmin und Lavendel, Nadias Duft, und dachte an den Abschied von vorhin. Nadias Hand war eigenartig kalt gewesen. Die Hand der Angst, dachte Zoe. Die Hand des Todes.
25
S ERAINCOURT , F RANKREICH
Zoes Anruf in New York hallte wie ein Trompetenstoß durch die hohen Räume des Châteaus Treville. Gabriel benachrichtigte sofort Adrian Carter, damit die AAB Holding und ihre Alleingesellschafterin Nadia al-Bakari von der NSA überwacht wurden. Das bedeutete, dass Carter jetzt wusste, wer die reiche muslimische Person mit untadelig dschihadistischen Wurzeln war, die Gabriel dazu bringen wollte, Raschid al-Husseinis Terrornetzwerk zu finanzieren. Das bedeutete jedoch auch, dass ab diesem Augenblick mehrere Dutzend Angehörige der zahlreichen US-Geheimdienste davon wussten. Das war ein Risiko, das Gabriel in diesem Fall aber eingehen musste. Der israelische Abhördienst arbeitete zwar ausgezeichnet, doch seine technischen Möglichkeiten verblassten im Vergleich zu denen der National Security Agency. Amerikas Herrschaft über die digitale Welt war absolut. Es war der
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