Der Hintermann
Skyline von Zürich hinüber, die bei tiefen Wolken und leichtem Schneefall kaum mehr sichtbar war. Die ganze Szenerie wirkte farblos – eine graue Stadt an einem grauen See. Sie passte genau zu Gabriels Stimmung.
»Wann wollten Sie’s mir erzählen, Adrian?«
»Was erzählen?«
Gabriel übergab Carter einen unbeschrifteten DIN-A5-Umschlag. Er enthielt acht Überwachungsfotos von acht verschiedenen CIA-Agenten.
»Wie lange haben Ihre Leute gebraucht, um sie zu entdecken?«, fragte Carter, während er die Fotos mürrisch durchblätterte.
»Soll ich Ihnen das wirklich sagen?«
»Wohl lieber nicht.« Carter steckte die Fotos in den Umschlag zurück. »Meine besten Leute sind im Augenblick anderswo im Einsatz. Ich musste nehmen, was gerade verfügbar war. Ein paar von ihnen kommen frisch von der Farm, wie wir sagen.«
Die »Farm« war das CIA-Ausbildungszentrum in Camp Peary, Virginia.
»Sie lassen uns von Leuten in der Probezeit überwachen? Wäre ich nicht so wütend, wäre ich beleidigt.«
»Versuchen Sie, das nicht persönlich zu nehmen.«
»Ihr kleiner Stunt hätte uns alle enttarnen können. Die Schweizer sind nicht dumm, Adrian. Sie sind sogar ziemlich gut. Sie beobachten. Sie hören auch ab. Und sie werden verdammt wütend, wenn Spione in ihrem Land operieren, ohne sich bei der Ankunft ins Gästebuch eingetragen zu haben. Selbst erfahrene Agenten – auch unsere – haben hier schon Schwierigkeiten bekommen. Und was tut Langley? Es schickt acht Milchbubis los, die seit ihrem Auslandssemester nicht mehr in Europa waren. Wissen Sie, dass einer von ihnen neulich Jaakov angerempelt hat, weil er angestrengt einen Stadtplan Streetwise Zurich studiert hat? Das war der Gipfel, Adrian.«
»Ich verstehe, was Sie meinen.«
»Anscheinend nicht«, sagte Gabriel. »Ich will, dass sie abgezogen werden. Heute Abend.«
»Das wird sich leider nicht machen lassen.«
»Warum nicht?«
»Weil eine höhere Stelle sich plötzlich sehr für Ihr Unternehmen interessiert. Und weil sie beschlossen hat, dass es eine amerikanische operative Komponente braucht.«
»Sagen Sie der höheren Stelle, dass es bereits eine amerikanische operative Komponente gibt. Sie heißt Sarah Bancroft.«
»Eine einzelne Analystin aus dem Zentrum für Terrorismusbekämpfung zählt nicht.«
»Diese Analystin könnte die acht Tölpel, die Sie uns als Aufpasser geschickt haben, jederzeit austricksen.«
Carter starrte auf den See hinaus, ohne etwas zu sagen.
»Was wird hier gespielt, Adrian?«
»Es geht darum, wer hier spielt.« Carter gab Gabriel den Umschlag zurück. »Was kostet es mich, Sie dazu zu bringen, diese verdammten Fotos zu verbrennen?«
»Los, reden Sie schon.«
37
Z ÜRICHSEE
In der Fahrgastkabine auf dem Oberdeck gab es ein kleines Café. Carter trank wässrigen Kaffee, Gabriel einen Tee. Sie teilten sich ein gummiartiges Sandwich mit Eiersalat und eine Tüte nicht mehr ganz frischer Kartoffelchips. Carter behielt die Quittung für seine Spesenabrechnung.
»Ich hatte Sie gebeten, ihren Namen für sich zu behalten«, sagte Gabriel.
»Ich hab’s versucht.«
»Was ist passiert?«
»Irgendjemand hat dem Weißen Haus einen Tipp gegeben. Ich bin zu einem verschärften Verhör ins Oval Office zitiert worden. McKenna und der Präsident haben mich gemeinsam in die Mangel genommen, böser Cop, böser Cop. Stresspositionen, Schlafverweigerung, Hunger und Durst … all die Mittel, die wir nicht mehr gegen den Feind einsetzen dürfen. Damit haben sie mich bald kleingekriegt. Jedenfalls weiß der Präsident jetzt meinen richtigen Vornamen. Und er kennt den Namen der Muslima mit untadelig dschihadistischen Wurzeln, mit der Sie im Bett sind – operativ gesprochen, versteht sich.«
»Und?«
»Er ist darüber nicht glücklich.«
»Tatsächlich?«
»Er fürchtet, die amerikanisch-saudischen Beziehungen könnten schweren Schaden nehmen, sollte dieses Unternehmen jemals abstürzen und in Flammen aufgehen. Deshalb ist er nicht mehr bereit, Langley als bloßen Passagier an Bord zu lassen.«
»Er will, dass Sie die Maschine fliegen?«
»Nicht nur das«, sagte Carter. »Er will, dass wir das Flugzeug warten, dass wir das Flugzeug betanken, dass wir die Bordküche ausstatten und dass wir das Gepäck ins Flugzeug laden.«
»Totale Kontrolle? Wollen Sie darauf hinaus?«
»Genau.«
»Das verstehe ich nicht, Adrian.«
»Welchen Teil davon?«
»Offen gesagt alles. Bleiben wir für das Unternehmen verantwortlich, kann der Präsident den
Weitere Kostenlose Bücher