Der Hintermann
und ging in ihr Schlafzimmer hinüber. Nachdem sie gebadet und sich leicht parfümiert hatte, betrat sie das Ankleidezimmer und wählte ihre Kleidung für diesen Tag aus, wobei sie heute statt der hellen Töne, die sie sonst bevorzugte, düstere Schattierungen von Grau und Schwarz aussuchte. Ihr glänzendes schwarzes Haar bürstete sie minutenlang. Als sie eine halbe Stunde später an Rafiq al-Kamal vorbei auf den Rücksitz ihres Maybachs glitt, hatte sie das ›zornige Gesicht‹ der arabischen Beduinen aufgesetzt. Ihre Verwandlung war jetzt fast vollständig. Sie war eine ungeheuer reiche saudische Unternehmerin, die Pläne schmiedete, um den Tod ihres Vaters zu rächen.
Der Maybach rollte durchs Tor der Stadtvilla auf die Avenue Foch hinaus. Als er in Richtung Bois de Boulogne davonfuhr, sah Nadia den Mann, den sie als Max kannte, einige Schritte hinter einer Frau hergehen, die Sarah sein konnte oder auch nicht. Sekunden später tauchte neben ihrem Fenster für kurze Zeit ein Motorrad auf, das von einer schlanken Gestalt mit Sturzhelm und Lederjacke gefahren wurde. Irgendetwas an ihr rief in Nadia schmerzhafte Erinnerungen wach. Sicher ganz grundlos, sagte sie sich, als das Motorrad an der nächsten Kreuzung abbog. Bloß ein Anflug von Lampenfieber. Nur ein Streich, den der Verstand ihr spielte.
Auf Wunsch des Hauses Saud hatte Nadia mehr als nur die Bodyguards ihres Vaters behalten müssen. Die Grundstruktur der AAB Holding war ebenso unverändert geblieben wie auch die Ebene des leitenden Managements. Daoud Hamza, ein libanesischer Stanford-Absolvent, war weiter fürs Tagesgeschäft zuständig. Manfred Wehrli, ein durch nichts zu erschütternder Schweizer Banker, war weiterhin Finanzvorstand. Und das als Abdul & Abdul bekannte Anwaltsteam sorgte wie früher dafür, dass juristische Fallstricke vermieden wurden. Mit zwanzig weiteren Assistenten, Faktotums und sonstigen Lakaien warteten sie alle in der VIP Lounge des Flughafens Le Bourget, als Nadia eintraf. Punkt zehn Uhr gingen sie an Bord des Boeing Business Jets von AAB, der um Viertel nach zehn gen Zürich startete. Sie verbrachten den einstündigen Flug damit, am Konferenztisch sitzend Umsatzzahlen zu besprechen, und stiegen anschließend auf dem Flughafen Zürich in schon bereitstehende Mercedes-Limousinen. Der Konvoi brachte sie in rascher Fahrt auf den bewaldeten Zürichberg und zum eleganten Eingang des Dolder Grand, dessen Direktor sie in einen Konferenzsaal mit einem alpin klingenden Namen geleitete, dessen Seeblick allein die horrende Tagesmiete wert war. Das Management der Schweizer Firma für optische Geräte war schon da und bediente sich an dem üppigen Lunchbüfett. Das AAB-Team nahm Platz, öffnete seine Aktenkoffer und klappte seine Notebooks auf. Für AAB-Mitarbeiter gab es bei Besprechungen nicht einmal eine Tasse Kaffee. Zizis Regeln.
Für die Besprechung waren zwei Stunden angesetzt. Sie dauerte zwanzig Minuten länger und endete mit dem Vorschlag, Nadia solle weitere zwanzig Millionen Franken in die Modernisierung des Werkes in Zug stecken. Nachdem sie zugesagt hatte, den Vorschlag wohlwollend zu prüfen, verabschiedete sich die Schweizer Delegation. Als sie die luxuriöse Hotelhalle durchquerte, kam sie an einem schlanken Araber mit gepflegtem Bart Anfang vierzig vorbei, der mit seinem Aktenkoffer neben sich stehend allein in einem Sessel saß. Fünf Minuten später wurde er durch einen Anruf aufgefordert, in den Konferenzraum zu kommen, den die Schweizer gerade verlassen hatten. Dort erwartete ihn eine schöne Frau mit untadelig dschihadistischen Wurzeln.
»Allahs Segen sei mit Ihnen«, sagte sie auf Arabisch.
»Und auch mit Ihnen«, erwiderte Samir Abbas. »Ich hoffe, dass Ihre Besprechung mit den Schweizern erfolgreich war.«
»Irdische Dinge«, sagte Nadia mit einer wegwerfenden Handbewegung.
»Allah hat es sehr gut mit Ihnen gemeint«, sagte Abbas. »Ich habe einige Vorschläge ausgearbeitet, wie Sie Ihr Geld investieren könnten.«
»Danke, ich brauche keine Anlageberatung von Ihnen, Herr Abbas. Ich komme ganz gut allein zurecht.«
»Wie kann ich Ihnen sonst zu Diensten sein, Frau al-Bakari?«
»Sie können damit beginnen, dass Sie sich setzen. Und damit, dass Sie Ihr Handy ausschalten. Mit elektronischen Geräten kann man heutzutage nicht vorsichtig genug sein. Man weiß nie, wer vielleicht zuhört.«
»Ich verstehe völlig.«
Sie rang sich ein Lächeln ab. »Das tun Sie bestimmt.«
39
Z ÜRICH
Die beiden saßen sich
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