Der Historiker
ansteckte. »Wir brauchen etwas Licht zum Lesen.« Ich hasste es, wie die Flammen auf seinem Gesicht spielten, wenn er sich über sie beugte, und konzentrierte mich auf die Titel. Er kam auf meine Seite, als ich vor den Reihen mit Schriftrollen und Büchern auf Arabisch stand, die mir bereits aufgefallen waren. Gott sei Dank hielt er einen Abstand von ein, zwei Metern, dennoch bereitete mir der beißende Geruch, der von ihm ausging, leichten Schwindel. Ich muss meinen Verstand beisammen halten, dachte ich, niemand kann sagen, was diese Nacht noch bringt.
»Ich sehe, Sie haben eines meiner Glanzstücke entdeckt«, sagte er. In seiner kalten Stimme schwang Befriedigung mit. »Das sind meine osmanischen Bestände. Einige von ihnen sind sehr alt und entstammen den ersten Jahren ihres teuflischen Reiches, und dieses Regal hier enthält Bücher aus seinem letzten Jahrzehnt!« Er lächelte im flackernden Licht. »Sie können nicht ermessen, was für eine Befriedigung es für mich war, ihre Zivilisation sterben zu sehen. Ihr Glaube ist natürlich nicht tot, aber ihre Sultane sind für immer tot – und ich lebe noch.« Einen Augenblick lang glaubte ich, er würde lachen, aber seine nächsten Worte klangen ernst. »Das sind umfangreiche Bücher, geschrieben für den Sultan über seine Länder. Das hier« – er berührte eine Rolle – »ist die Geschichte Mehmeds – möge er in der Hölle braten – von einem christlichen Historiker, der zu einem schmeichelnden Kriecher wurde. Zur Hölle auch mit ihm! Ich habe versucht, ihn zu finden, aber er starb, bevor ich ihn erwischen konnte. Das hier sind die Berichte über Mehmeds Feldzüge, von seinen eigenen Schmeichlern, und über den Fall der Großen Stadt. Sie können kein Arabisch?«
»Nur wenig«, bekannte ich.
»Ah.« Er schien amüsiert. »Ich hatte die Gelegenheit, ihre Sprache und Schrift zu lernen, als ich ihr Gefangener war. Das alles wissen Sie. «
Ich nickte und vermied dabei seinen Blick.
»Ja, mein eigener Vater überließ mich Mehmeds Vater, als Pfand dafür, dass er keinen Krieg gegen das Reich führen würde. Stellen Sie sich vor: Dracula ein Pfand in der Hand dieses Ungläubigen! Aber ich vergeudete keine Zeit dort und lernte alles, was ich über sie lernen konnte, um sie eines Tages zu schlagen. Damals habe ich mir geschworen, selbst Geschichte zu schreiben und nicht zu ihrem Opfer zu werden. « Er klang so böse, dass ich ihm gegen meinen Willen einen Blick zuwarf und das furchtbare Lodern in seinem Gesicht sah, den Hass und die scharf hochgezogene Lippe unter seinem großen Schnurrbart. Dann lachte er, und das klang genauso entsetzlich. »Ich habe triumphiert, und sie sind tot.« Er legte die Hand auf einen fein gepunzten Ledereinband. »Der Sultan hatte so viel Angst vor mir, dass er einen Ritterorden gründete, um mich zu verfolgen. Es gibt immer noch einige von ihnen, irgendwo in Tsarigrad – sie sind eine Plage. Aber sie werden weniger und weniger, ihre Reihen schwinden dahin, während sich meine Diener rund um den Globus vervielfachen.« Er straffte seinen kräftigen Körper. »Kommen Sie, ich werde Ihnen einige andere Schätze zeigen, und Sie müssen mir sagen, wie Sie das alles katalogisieren wollen. «
Er führte mich von einer Abteilung zur anderen und zog besondere Einzelstücke hervor, und meine Einschätzung seiner Ordnung bestätigte sich. Wir kamen zu einem riesigen Schrank voller Folterhandbücher, von denen einige aus der Alten Welt stammen. Praktiken aus den Gefängnissen im mittelalterlichen England sind dort nachzulesen, Berichte aus den Folterkammern der Inquisition, und auch die Experimente des Dritten Reichs fehlen nicht. Einige der Renaissance-Bände enthalten Holzschnitte von Foltermethoden, andere Schaubilder des menschlichen Körpers. Eine andere Abteilung umfasst die Ketzerlehren, gegen deren Anhänger viele dieser Folterhandbücher Anwendung fanden. Dann geht es um die Alchemie, die Hexerei und die Philosophie und ihre verstörendsten Richtungen.
Dracula blieb schließlich vor einem großen Regal stehen und legte seine Hand mit einer gewissen Zärtlichkeit darauf. »Das hier ist von besonderem Interesse für mich und wird es auch für Sie sein, denke ich. Das alles sind Biografien über mich.« Jeder Band dort war auf irgendeine Weise mit seinem Leben verbunden. Es sind Arbeiten byzantinischer und osmanischer Historiker – einige der Bücher sind äußerst seltene Originale – und ihre zahlreichen Neuauflagen durch die
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