Der Hobbnix - Die große Tolkien-Parodie 2: Hobbnix 2
um auf irgendeine positive Weise darauf zu reagieren. Seine träge Stimme, sein Gestank, seine ganze unangenehme Erscheinung – das alles brachte den spießigen kleinen Aualänder in mir zum Vorschein. Rückblickend wünschte ich mir natürlich, ich hätte damals die Tür geöffnet und Graham hereingebeten. Ich wünschte, wir hätten uns gemeinsam mit Heinrich ins Wohnzimmer gesetzt und er hätte das Feuer gesehen. Wir hätten die Katastrophe abwenden können! Ja, wenn ich das getan hätte – wie glücklich wäre ich heute. Aber meine Gefühle waren mir im Weg. Meine Gefühle und mein Ego.
»Er empfängt keine Besucher«, rief ich und stapfte zurück ins Arbeitszimmer.
Es dauerte fast eine Viertelstunde, bis ich mich wieder beruhigt hatte. Ich ging in die Küche und setzte Tee auf. Auch Heinrich flatterte dort herum, ließ das Geschirr klirren und malte mit ektoplasmatischem Schleim geheimnisvolle Zeichen an die Wand. Ich ignorierte ihn. Der kleine Aualänder in mir sagte: Diesmal nicht. Diesmal muss er sich zuerst entschuldigen.
Ich nahm den Tee mit ins Arbeitszimmer und setzte mich an den Schreibtisch. Einmal mehr betrachtete ich das, was ich bisher geschrieben hatte.
Ich wurde geboren
Ich wuchs auf
Ich erlebte ein großes Abenteuer – siehe auch: »Der Hobbnix«
Ruhestand!
Es wirkte wie ein Gedicht. Von der eher deprimierenden Sorte.
War das wirklich mein ganzes Leben? Viele, viele Jahre, in denen nichts von Belang geschehen war, unterbrochen von einem kurzen, völlig unbeabsichtigten Abenteuer, gefolgt von vielen weiteren Jahren, in denen nichts von Belang geschehen war. Ich seufzte.
Wieder klopfte es an der Tür. In der Annahme, dass es immer noch Graham der Grüne war, der meine Ruhe störte, eilte ich in die Küche und füllte einen Eimer mit Seifenlauge. Der Plan war, die Tür zu öffnen und ihm die Lauge ins Gesicht zu schütten – auch wenn das bedeutete, dass ich mit einer Hand die Tür und mit der anderen den durchaus schweren Eimer halten musste.
Es war der Postbote.
»Was machen Sie da mit dem Eimer?«, fragte er argwöhnisch.
»Äääh. Ich dachte, Sie wären jemand anders«, erwiderte ich. »Sie wünschen? Wieder ein überteuertes Telegramm von meinen Tanten?«
»Brief«, sagte der Postbote und tippte mit dem Finger an die Mütze. Dann reichte er ihn mir. Auf dem Umschlag stand: Der Perverse, Hoppler-Ahoi! . Sonst nichts.
»Ja, Sakra!«, rief ich und knallte den Eimer auf den Boden, dass das Wasser nur so spritzte. »Das darf ja wohl nicht wahr sein! Warum bringen Sie diesen Brief ausgerechnet mir ?«
»Aber er ist doch an Sie adressiert«, sagte der Postbote.
»Nein, ist er nicht«, erwiderte ich zornig. »Wie kommen Sie darauf? Da steht nirgendwo mein Name. Wenn ich ihn öffne …« Ich riss den Umschlag auf und zog den Brief heraus. »… werden Sie sehen, dass …«
Der Brief begann mit: Lieber Bingo .
»Kein Grund, sich zu schämen«, sagte der Postbote und kratzte sich an der Nase. »Wissen Sie, mein Cousin steckt sich immer Silvesterraketen in den Allerwertesten und zündet sie an. Und ich habe einen Onkel, der …«
Ich knallte die Tür zu. Dann atmete ich tief ein. Und wieder aus. Natürlich war der Brief von Freudo Siggins:
Lieber Bingo,
leider habe ich den Zettel verloren, auf dem ich Ihre Adresse notiert habe, aber ich bin sicher, der Brief findet auch so sein Ziel. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie die nächsten elf Sitzungen im Voraus bezahlen und wenn wir eine halbe Stunde früher beginnen könnten, damit ich noch rechtzeitig zum Frühschoppen ins Wirtshaus komme. Ich habe das Gefühl, wir stehen vor einem Durchbruch. Auch ein anderer meiner Patienten, Tony »Die Mücke« Maroni, sieht das so. Er war ganz fasziniert von Ihrem Fall! Damit meine ich: Er hat sich halb totgelacht. Wie auch immer, wir werden Ihrer Neurose schon zu Leibe rücken. Es hat bestimmt mit Ihrer Mutter zu tun – es hat immer mit der Mutter zu tun. Trotzdem sollten wir alle zwölf Sitzungen absolviere, nur um sicherzugehen.
Mit psychedelischen, nein, haha, psychiatrischen Grüßen
Freudo Siggins
Der Brief machte mich eher traurig als wütend. Ich spürte, wie sich DIE GROSSE SINNLOSIGKEIT auf meinen Schultern niederließ und mich mit ihrem tonnenschweren Gewicht nach unten drückte. Ich zerknüllte den Brief und warf ihn in Richtung des Papierkorbes neben der Eingangstür. Er prallte am Rand des Korbes ab und landete auf dem Boden, und dieses kleine, völlig unbedeutende Missgeschick
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