Der Hochzeitsvertrag
warme Tuch auf und drapierte es über ihre Schultern. Ich bin allen Herausforderungen gewachsen.
Fast augenblicklich erschrak sie über ihren Gedanken. Hochmut kommt vor dem Fall, tadelte sie sich. War sie nicht zur Demut erzogen worden? Hatte sie nichts aus den Predigten ihres Vaters gelernt? Eine innere Stimme sagte ihr, dass es falsch war, sich ihres Erfolgs zu sicher zu sein – war nicht auch Hiob erst erhöht und dann erniedrigt worden? Trotzdem fiel es ihr schwer, das Hochgefühl, das sie überkam, zu unterdrücken.
Für mich fügt sich im Moment doch alles auf das Vorteilhafteste. Morgen werde ich nach London aufbrechen. Zusammen mit meinem Mann. Obwohl er nicht begeistert darüber war, dass sie ihn begleiten wollte, würde sie Nicholas nicht allein ziehen lassen, denn wenn sie nicht mehr Zeit miteinander verbrachten, würden sie einander nicht vertrauter werden. Es würde seine Zeit dauern, bis sie eine gute Ehe führten, insbesondere, weil eine Reihe von Problemen zu bewältigen war. Aber sie hatten ja Zeit.
Nicholas hatte ihr geschworen, dass sein Vater ihn gezwungen hatte, sie zu verlassen. Und er hatte ihr versichert, dass sein Vater die Verlobung mit Dierdre Worthing lediglich erfunden hatte. Warum sollte sie Nicholas nicht glauben? Der alte Earl war für seine Grausamkeit bekannt gewesen.
Ach, genug der Grübeleien, dachte Emily. An diesem Abend würde sie lustig sein und sich des Lebens freuen. Und sich nur darüber Gedanken machen, mit wem sie zuerst tanzen würde.
Als sie einen Blick auf die Uhr warf, stellte Emily fest, dass es zum Abendessen noch viel zu früh war. Sie sollte die Zeit nutzen, um in Nicholas' Arbeitszimmer schnell noch eine Liste dessen zusammenzustellen, was sonst noch aus dem Pfarrins Herrenhaus gebracht werden sollte. Das würde ihrem Vater in der kommenden Woche einiges an Verwirrung ersparen. Danach würde sie sich auf das Fest konzentrieren.
Mit einem Lächeln auf den Lippen eilte Emily nach unten.
7. Kapitel
"Was hast du hier drin zu suchen?" rief Nicholas aus. Er traute seinen Augen nicht.
Und zwar nicht etwa, weil Emily in ihrem Kleid bezaubernd aussah oder weil ihr Haar im Licht der Lampe über seinem Schreibtisch golden schimmerte: Nein, was sie tat, schockierte ihn. Denn wie kam Emily dazu, seinen Schreibtisch zu durchstöbern, ganz so, als hätte sie ein Recht dazu?
Ihm fiel der Verlobungsvertrag wieder ein. Sein Herz setzte einen Schlag lang aus. Wenn Emily das Dokument fand, obwohl er ihr nichts von der Fälschung erzählt hatte, würde sie ihm nie wieder vertrauen. Wie dumm von ihm, dass er ihr nicht von Anfang an von dem Vertrag erzählt hatte!
Emily sah zu Nicholas hoch, eine Hand immer noch in einer Schreibtischschublade. "Wo hast du das Schreibpapier?" fragte sie, sich keiner Schuld bewusst. "Ich muss noch schnell eine Liste zusammenstellen."
Verärgert schritt er auf sie zu, packte sie am Arm und zog sie ein Stück vom Schreibtisch weg. Mit der linken Hand drückte er die von ihr geöffnete Schublade zu. "Frag mich, bevor du hier etwas anfasst", sagte er mit mühsam unterdrückter Empörung. "Ich wühle ja auch nicht in deinen Sachen herum!"
Emily zuckte zusammen. "Ich verbitte mir den Ausdruck wühlen ! Ich habe nur ein Bogen Papier gesucht! Und es steht dir frei, jederzeit über meine Habseligkeiten zu verfügen."
"Ich würde es dennoch begrüßen, wenn du meine Privatsphäre in Zukunft respektieren würdest."
Sie kniff die Augen zusammen. "Du hast Geheimnisse vor mir?"
Diese Frau war unglaublich! "Würde ich dir das bestätigen, hätte ich nicht länger Geheimnisse, oder?"
Abgesehen von dem Vertrag, dessen Existenz er ihr lieber verschwieg, würde er auch in Zukunft mit Dingen beschäftigt sein, die sie einfach nichts angingen. Außenpolitische Angelegenheiten. Es wäre gefährlich für sie, wenn sie zu viel wüsste. Natürlich würde Emily nichts ausplaudern. Sie war loyal. Aber es ging ihm ums Prinzip. Ein Mann brauchte seine Privatsphäre. Und seine war immer respektiert worden. Keiner seiner Untergebenen hätte gewagt, was Emily gerade getan hatte.
Nicholas öffnete eine Schublade oben rechts und holte einen Stapel Briefpapier daraus hervor, auf dem das Familienwappen der Kendales eingeprägt war. "Hier! Nimm es", sagte er und drückte ihr die Blätter in die Hand.
Sie nahm den Stoß, musterte ihn einen Augenblick und zuckte dann die Schultern. "Einen Federhalter brauche ich aber auch noch."
Unwillig deutete Nicholas auf ein mit
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