Der Hochzeitsvertrag
Perlmuttintarsien geschmücktes Kästchen auf dem Schreibtisch.
"Darf ich mich setzen?" fragte sie und deutete auf seinen Polsterstuhl. "Oder steht mir das auch nicht zu?"
"Offenbar verkennst du den Ernst der Lage", erklärte er, rückte ihr höflich den Stuhl zurecht und zwang sich zu einem Lächeln.
"Du bist wohl heute Abend nicht in bester Laune?" bemerkte sie und warf ihm einen Blick zu, in dem ebenso viel Verdruss wie Schicksalsergebenheit zu liegen schien. "Schade. Ich wollte dir eigentlich den ersten Tanz an diesem Abend schenken. Vergiss das lieber." Sie wählte eine Stahlfeder aus und schraubte das Tintenfass auf.
Nicholas lehnte sich an die Schreibtischkante und blickte einen Moment lang auf ihre schlanken Finger, die den Federhalter förmlich zu streicheln schienen. Bedauerlich, dass sie nicht ihn streichelten. Und auch in absehbarer Zeit nicht streicheln würden. Seine Laune wurde bei diesem Gedanken nicht besser. Nun, ich werde sie auch nicht berühren. "Ich hatte sowieso nicht vor zu tanzen", gab er missmutig zurück.
Sie tunkte den Federhalter in das Tintenfass, machte probeweise einen Strich auf dem Löschpapier. "Natürlich tanzt du! Das habe ich dir doch beigebracht."
Erinnerungen an diese Tanzstunden kamen ihm in den Sinn. Aus irgendeinem Grund erschien Nicholas das Gespräch, das sie führten, auf einmal höchst absurd. Der Vertrag war gut versteckt. Warum stellte er sich so an? Hatte er als Einzelkind Probleme damit, von seinen Sachen abzugeben? Vermutlich. Er hatte noch nie gern geteilt.
Außer mit Emily, wie er sich erinnerte. Früher hatte er sich gewünscht, ihr alles schenken zu können, was ihr Herz begehrte. Jetzt hätte er die Möglichkeit dazu. Er konnte ihr den verflixten Tisch, den Füller, den Stuhl, das gesamte Arbeitszimmer schenken, wenn sie das glücklich machte. Warum fragte sie ihn nicht einfach?
Unwillkürlich lächelte er. Da saß sie und ignorierte seinen Tadel einfach. Diese Frau schien nichts erschüttern zu können. Weder Wutanfälle noch Drohungen, auch nicht die Cholera. Die liebe Emily.
Mit verschränkten Armen sah er ihr dabei zu, wie sie in langen, zierlichen Buchstaben eine Liste anfertigte.
"Ist die für mich?" erkundigte er sich, etwas versöhnlicher gestimmt. Er wollte sich nicht bei ihr entschuldigen, weil er nach wie vor der Ansicht war, im Recht zu sein. Emily schien sich die Zurechtweisung ohnehin nicht zu Herzen zu nehmen.
Unter ihren langen, dichten Wimpern hervor sah sie zu ihm auf. "Erraten! Das ist eine Bücherliste. Du wirst einige Anschaffungen für die Bibliothek tätigen müssen. Es mangelt den Kendales vor allem an gewissen Gedichtbänden", fügte sie hinzu. "Ich möchte mir einen kleinen Vorrat für die Zukunft anlegen. Sag mal, was hältst du von Keats?"
Nicholas verzog das Gesicht. "Muss ich eine Meinung über ihn haben?"
"Du wirst dir eine bilden dürfen. Er steht ganz oben auf meiner Liste." Sie legte die Feder beiseite, lehnte sich in seinem Sessel zurück und lächelte ihn an. Ihr Anblick überwältigte ihn. Für einen Moment stockte ihm der Atem.
"Nun? Ist dein Wutanfall vorbei?" fragte Emily belustigt.
Nicholas schob alle wollüstigen Gedanken beiseite und zwang sich zu einem Lächeln. "Welcher Wutanfall? Meinst du, dass ich den ersten Tanz trotzdem bekomme?"
"Natürlich. Und auch deine Privatsphäre. Es tut mir Leid, dass ich mich dir aufgedrängt habe."
Sie klingt eigentlich nicht entschuldigend, sondern eher triumphierend, fand Nicholas. Offenbar war die Runde an sie gegangen. Aber er wollte großzügig sein.
"Ich vergebe dir", sagte er und reichte ihr den Arm. "Jetzt hatten wir also unsere erste eheliche Auseinandersetzung."
Sie warf ihm einen wissenden Blick zu. "Das wohl kaum."
"Unsere letzte."
Emily lachte. "Sicher nicht! Wollen wir wetten?"
Gespielt entsetzt sah er zu ihr hinunter. "Was? Die Pfarrerstochter wettet? Unerhört!"
Die Gefühle, die Emilys Gesicht widerspiegelten, verschlugen ihm die Sprache: Furcht und Hoffnung gleichermaßen las er darin. "Ja, das tue ich. Habe ich mich nicht auf ein Glücksspiel eingelassen, wie es für eine Frau kein größeres gibt?"
Nachdenklich nickte Nicholas. Ihre Ehe war tatsächlich für sie beide ein Vabanquespiel.
Während er mit ihr zum Speisesaal des Personals schritt, grübelte er wieder einmal über den Verlobungsvertrag nach und über die Frau, die sein Vater für ihn ausgesucht hatte. Hätte die Quarantäne Emily nicht gezwungen, in Bournesea Manor zu bleiben,
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