Der Hochzeitsvertrag
beiden jungen Frauen funkelten sich zornig an. Doch das von Nicholas erwartete laute Wortgefecht blieb erstaunlicherweise aus. Lord Hammersley legte Nicholas unvermutet die Hand auf die Schulter und fragte: "Was meinst du? Sollen wir beginnen? Ich glaube, die Musiker werden langsam unruhig."
"Ja, natürlich. Entschuldige mich." Den Vorwand nutzend, den Hammersley ihm gegeben hatte, trat Nicholas auf Emily zu und geleitete sie nach einem kurzen Gespräch mit Lady Fitzwaren ins Musikzimmer, fort aus Dierdres Reichweite. Auf dem Weg dorthin kamen sie an Lady Hammersley vorbei. Gerade noch rechtzeitig erinnerte sich Nicholas an die Bitte seines Freundes und bat sie: "Mylady, würden Sie uns die Freude machen, heute Abend für uns zu spielen?"
Eine Reihe von Gästen, die diese Bitte zufällig gehört hatten, schlossen sich Nicholas an. Eine Stimme übertönte die der anderen. Dierdres. Sie war vorgetreten und schlang ihren Arm um Emily. "Oh, wir sollten nicht vergessen, dass noch eine Dame unter uns weilt, die uns mit ihren Künsten sicher großen Genuss verschaffen wird! Sie kennen doch auch weltliche Lieder, nicht wahr, Lady Kendale? Bitte machen Sie uns die Ehre, und singen Sie für uns!"
Nicholas spürte, wie Emily einen Moment wie erstarrt dastand. Mit ruhiger Stimme antwortete sie: "Ja, natürlich, aber ich glaube nicht …"
"Sie müssen uns etwas vortragen, meine Liebe!" insistierte Dierdre.
"Aber natürlich müssen Sie", zwitscherte die alte Lady Fitzwaren. "Ich jedenfalls würde mich über etwas Neues sehr freuen. Und Sie spielen, Lady Hammersley. Deswegen sind wir ja alle hergekommen." Die Witwe warf Nicholas einen strengen Blick aus ihren kleinen, schwarzen Knopfaugen zu. "Nun, Kendale, möchten Sie Ihre Frau nicht bitten, uns zu unterhalten?"
Nicholas sah Emily fragend an und überlegte noch, was er tun sollte, um Emily eine Blamage zu ersparen, da kam Emily ihm zuvor und lächelte Lady Fitzwaren gewinnend an: "Es ehrt mich sehr, dass Sie diesen Wunsch äußern, Madam, und ich erfülle ihn mit Vergnügen."
Von den Umstehenden wurden diese Worte mit beifälligem Gemurmel aufgenommen. Nur Dierdre Worthing schwieg und lächelte still in sich hinein.
Nicholas entsann sich vage, dass Emily früher eine schöne Stimme gehabt hatte. Aber darum ging es hier nicht. Es gefiel ihm nicht, dass sie sich vor einer Reihe von Leuten zur Schau stellen sollte, die sehr viel kritischer waren als die Gemeinde ihres Vaters. Wenn sie doch am Klavier hätte begleiten können, so wie in Bournesea … Zwar konnte sich ihr Spiel nicht mit dem von Lady Hammersley messen. Aber es war zu spät. Er konnte nichts mehr tun, um das Desaster zu verhindern. Außer sie zu unterstützen.
"Meinst du, du schaffst es?" flüsterte er, bevor sie im Ballsaal ihre Plätze einnahmen.
"Aber natürlich", versicherte sie ihm belustigt und zupfte ihre hellblauen Handschuhe zurecht.
Sie wandte ihre Aufmerksamkeit Lady Hammersley zu, die dem Publikum nun die einzelnen Musiker vorstellte und die Stücke bekannt gab, die sie spielen würden. Emilys wegen beunruhigt, fiel es Nicholas sehr schwer, sich auf das zu konzentrieren, was Lady Hammersley sagte. Sogar die Ankündigung, dass die Musiker in der nächsten Woche auch in der Holcomb Concert Hall zu hören sein würden, konnte Nicholas nicht sonderlich begeistern. Immer wieder warf er seiner Frau verstohlene Blicke zu. Auch wenn Emily nach außen hin völlig gefasst wirkte, war sie bestimmt aufs Äußerste angespannt. Das war die Feuerprobe. Im wahrsten Sinne des Wortes.
Nach zwei Orchesterstücken und beifälligem Applaus trat Lady Hammersley nochmals auf das Podest und kündigte an: "Zu unserer großen Freude wird uns Lady Kendale nun mit der Ballade A day upon the moors von Sir Joseph Trenton erfreuen. Ich werde sie selbst auf dem Flügel begleiten." Sie lächelte und winkte Emily zu sich.
Nicholas stand auf, als seine Gattin sich erhob, und geleitete sie nach vorn. Danach blieb ihm nichts anders übrig, als sich zu setzen und zu beten, dass alles gut ging.
Zu seiner Überraschung wirkte Emily völlig entspannt. Sie faltete ihre Hände vor der Taille und lächelte ungezwungen ins Publikum, während Lady Hammersley ihren Platz am Flügel einnahm. Nach den klangvollen Eingangsakkorden warf Lady Hammersley Emily einen Blick zu, und diese stimmte mit klarer, reiner Stimme eine Ballade an, deren Worte die Herzen ebenso rührten wie die Molltöne, in denen der Komponist geschwelgt hatte.
Bald waren
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