Der Hochzeitsvertrag
momentanen Situation nicht zufrieden war. Er war besorgt darüber – nein, fast schon besessen von dem Gedanken, dass sie ihrer Rolle als Countess of Kendale vielleicht nicht gewachsen sein könnte. Und die wenigen Male, als sie kurz davor waren, die Ehe zu vollziehen, hatte er einen Rückzieher gemacht.
Plante er, Emily unberührt zu lassen, um als Scheidungsgrund ihre Weigerung, sich ihm hinzugeben, geltend zu machen? Nein, das ist unmöglich, dachte Emily. Für einen Mann in seiner Position kam eine Scheidung nicht infrage – sie würde seinen Ruf ruinieren. Und selbst wenn es zur Auflösung der Ehe käme, könnte er erst nach ihrem Tod wieder heiraten. Was sollte ihm das nützen? Dierdre versuchte offenbar nur, Unheil zu stiften.
"Vielen Dank für die Warnung", erklärte Emily höflich. "Obwohl ich sie für überflüssig halte, danke ich Ihnen für Ihre Hilfsbereitschaft."
Dierdres Lächeln vertiefte sich. "Ob Sie mir glauben oder nicht, ist nicht von Interesse. Sie werden schon sehen. Mittlerweile sollten Sie ja gemerkt haben, dass Sie seiner nicht würdig sind."
Emily ließ ihren Blick über Dierdres rosa Kleid gleiten und blickte dann ernst in deren boshaft funkelnde dunkle Augen. "Sie auch nicht, fürchte ich."
Bevor Dierdre antworten konnte, öffnete jemand die Tür. Dierdre musste zur Seite weichen. Lady Hammersley kam herein und musterte die beiden überrascht. "Ist alles in Ordnung, meine Damen?"
"Wir wollten gerade gehen", erklärte Miss Worthing.
"Sind Sie wirklich sicher, dass alles in Ordnung ist?" fragte Lady Hammersley noch einmal und sah besorgt von einer zur anderen.
Dierdre antwortete: "Ganz gewiss. Emily und ich haben nur unsere Bekanntschaft erneuert."
"Es hat sich wenig verändert", fügte Emily hinzu.
16. Kapitel
Erleichtert atmete Nicholas auf, als Emily und Dierdre mit Lady Hammersley zusammen in den Ballsaal zurückkehrten. Er ging auf Emily zu und flüsterte: "Was ist oben passiert?"
Sie blickte ihn an, als hätte sie ihn nie zuvor gesehen, und sagte: "Was denkst du denn, was passiert, wenn Damen sich zurückziehen? Muss ich deutlicher werden?"
Nicholas schüttelte den Kopf. "Dierdre hat gerade ihrem Vater ein Zeichen gegeben, und jetzt brechen die Worthings überstürzt auf. Kannst du mir erklären, warum?"
"Vielleicht leidet sie an Migräne? Bald werden auch die anderen gehen."
"Aber sie muss doch etwas zu dir gesagt haben!"
"Hat sie auch. Sie sagte, ich solle mich in Acht nehmen", erklärte Emily.
"In Acht nehmen? Wovor? Vor ihr?"
Emily zuckte die Schultern und klappte demonstrativ ihren Fächer auf. Da sie sich weigerte, ausführlicher zu werden, ließ Nicholas das Thema fürs Erste auf sich beruhen. Offensichtlich hielt Emily dies nicht für den richtigen Ort für ein vertrauliches Gespräch.
"Wir unterhalten uns nachher darüber", sagte er und wandte seine Aufmerksamkeit wieder den übrigen Gästen zu.
"Worauf du dich verlassen kannst", erwiderte sie.
In der nächsten halben Stunde begnügte sich Emily damit, stumm neben Nicholas zu stehen. Lächelnd, jedoch ohne sich auch nur einen Zentimeter zu bewegen, stand sie da. Emily hatte im Laufe der Jahre gelernt, aufmerksamer zu scheinen, als sie es tatsächlich war. Doch noch bevor sie im Stehen einschlief, verabschiedeten die Hammersleys ihre letzten Gäste.
Nicholas führte Emily zum Ausgang. Immer noch wich sie seinem Blick aus. Er fragte sich, was dazu beigetragen hatte, dass sie so verstimmt war, sagte aber nichts. Seiner Ansicht nach war der Abend recht erfolgreich verlaufen. Selbst wenn Emily und Dierdre sich gestritten hatten, waren sie diskret gewesen.
Nachdem sie sich von den Hammersleys verabschiedet und in der Kutsche Platz genommen hatten, bedankte sich Nicholas bei Emily. "Ich war heute Abend sehr stolz auf dich. Du warst wundervoll!"
"Danke für das Kompliment", erwiderte sie. "Ich frage mich allerdings, wieso du vor meiner Gesangseinlage so besorgt warst."
"Habe ich dich gekränkt?" fragte er. "Sei mir bitte nicht böse, Emily. Ich gebe zu, ich hatte befürchtet, du könntest mit einigen Gästen nicht zurechtkommen. Besonders mit den älteren. Sie sind oft so voreingenommen."
"Du wirst es nicht für möglich halten, aber niemand hat gefragt, wie viel blaues Blut in meinen Adern fließt. Auch wenn zwei Personen mein Blut sicher gern hätten fließen sehen", gab sie in schnippischem Tonfall zurück. Sie hatte Grund dazu, beleidigt zu sein.
"Dierdre und ihr Vater."
"Ja." Vorwurfsvoll sah
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