Der Höllenbote (German Edition)
Glaubwürdigkeit des Zeugen berücksichtigen. So ein Anblick ist ein ganz schöner Schock, meinen Sie nicht auch? Würden Sie nicht auch erschrecken, wären Sie nicht völlig entsetzt, wenn Sie nichts ahnend um eine Ecke biegen und plötzlich eine Leiche vor Ihnen aufragt? Wären Sie denn nicht schockiert?«
»Doch, natürlich, aber ...«
»Solche Traumata können den menschlichen Verstand ganz schön durcheinanderbringen. Bobby war schockiert. Bobby glaubte, dass sie vor ihm stand und die Arme nach ihm ausstreckte. Bobby bildete sich ein, dass ihre Augen offen waren und sie ihn angrinste. Eine durch eine Art Trauma hervorgerufene Halluzination. Wahrscheinlich lag die Leiche einfach nur auf dem Boden.«
»Bobby hat gesagt, dass sie auf ihm lag, als er wieder zu sich kam.«
Steve hob eine Augenbraue. »Auch das kann Bobby sich eingebildet haben. Er stand unter maximalem Stress, am Rande eines klinischen Schockzustands. In solchen Situationen spielt das Gehirn einem Menschen oft die seltsamsten Streiche.«
Jane lehnte sich in ihrem Bürostuhl zurück. »Ich weiß nicht. Möglicherweise haben Sie recht. Ich habe den Schock selber noch nicht überwunden. Marlene tötet ihre Familie und veranstaltet einen Amoklauf. Und jetzt das.«
»Ich weiß.« Steve rutschte auf seinem Stuhl hin und her. »Aber reden wir einmal über etwas anderes, okay?«
Der Ton, in dem er das sagte, beunruhigte sie. »Gut.«
»Zunächst einmal wurde Marlenes Leiche ausgegraben . Und zwar, wie die Leute von der Spurensicherung festgestellt haben, mit einer Schaufel. Das ist harte Arbeit. Da hat jemand einen ziemlichen Aufwand betrieben, deshalb können wir davon ausgehen, dass es wohl kein Streich von Kindern ist. Und danach hat jemand die Leiche vom Winter-Damon-Friedhof bis zu Ihrem Postamt transportiert. Damit ist er ein hohes Risiko eingegangen.«
»Worauf wollen Sie hinaus?«
»Die Leiche wurde nicht vor dem Gebäude abgelegt, sie wurde in das Gebäude hinein gebracht, vermutlich bevor Bobby Weaver seine Schicht angetreten hat.«
»Und?«
»Es gibt keinerlei Anzeichen für ein gewaltsames Eindringen. Wir haben das Gebäude von oben bis unten überprüft. Das kann also nur eins bedeuten: Die Person hatte Zugang zum Zentralschlüssel.«
Etwas rastete in ihrem Kopf ein. »Daran habe ich nicht ...« Dann noch ein Einrasten und alarmiert protestierte sie: »Nein, vergessen Sie’s! Sie glauben doch wohl nicht, dass Bobby es selbst getan hat? Er ist harmlos! Manchmal ist er ein bisschen schrullig, aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass er so etwas macht.«
Ein Moment des Schweigens, dann: »Ich möchte Sie noch etwas fragen. Wäre es möglich, dass Marlene einer religiösen Sekte angehört hat?«
Die Frage ärgerte Jane. »Das habe ich Ihnen doch schon gesagt. Nein. Der Gedanke ist völlig absurd. Sie war Mutter, eine angesehene Bürgerin dieser Stadt und eine zuverlässige und fleißige Mitarbeiterin. Wahrscheinlich der normalste, ausgeglichenste Mensch, mit dem ich je zusammengearbeitet habe. Eine Sekte? Wie kommen Sie darauf? Wegen dieser Glockenskizze, die Sie in ihrem Haus gefunden haben? Wenn überhaupt, dann klingt das für mich eher so, als sei sie das Opfer einer Sekte geworden. Oder jemand hat sie entführt und ihr irgendeine psychedelische Droge verabreicht, die sie dazu trieb, so etwas zu tun. Und was diese Zeichnung angeht – wissen Sie denn überhaupt, dass sie von ihr gezeichnet wurde?«
»Nein, noch nicht, das wird noch überprüft. Die Polizeiwache von Danelleton ist relativ klein. Wir sind eine kommunale Behörde, deshalb verfügen wir über keine eigene Spurensicherung und Kriminaltechnik. Wir müssen dafür auf Bezirks- oder Bundesstaatsbehörden zurückgreifen und das dauert seine Zeit. Aber der Bezirksgrafologe untersucht gerade die erste Zeichnung. Und vergessen Sie nicht, dass wir das gleiche glockenförmige Symbol heute Morgen auch hier vorgefunden haben. In Blut auf den Boden gezeichnet.«
Jane konnte sich den Sarkasmus nicht verkneifen. »Na ja, die Zeichnung wird wohl kaum von ihr stammen, was?«
Steve lächelte matt, aber nur für einen Moment. »Ja, das können wir mit Sicherheit ausschließen. Aber es gibt vieles, was wir noch nicht wissen. Zum Beispiel, mit wem sie zuletzt Sex hatte.«
Noch mehr Sarkasmus. »Nun, zufällig weiß ich ganz sicher, dass sie glücklich verheiratet war, deshalb würde ich hier einen Schuss ins Blaue wagen und behaupten, dass ihr Ehemann vermutlich
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